Das Schweigen der Lämmer

Nein, früher war nicht alles besser. Ganz bestimmt nicht. Aber manches schon. Auf jeden Fall waren politische Parteien noch politische, haben sich gezankt wie die Kesselflicker und am Ende oft, wie es sich unter Demokraten gehört, ordentliche Entscheidungen getroffen.

Lothar Leuschen

Das war in Wuppertal ganz besonders zu der Zeit so, als sich Bildungspolitiker um die 5. Gesamtschule stritten. Hier die CDU, die solche Schulformen grundsätzlich als Teufelswerk empfand, dort die SPD und die Grünen, die es als Segnung empfanden, den Erziehungsauftrag von der Familie an den Staat zu übertragen.

Heute hat Wuppertal sechs Gesamtschulen und auch wegen der Arbeit, die dort geleistet wird, eine beispielhafte Bildungslandschaft. Dennoch wäre zumindest von der CDU wenigstens ein leichtes Stöhnen zu erwarten gewesen, als jetzt Schuldezernent Stefan Kühn wegen 300 abgelehnter Kinder die Diskussion um eine 7. Gesamtschule loszutreten versuchte. Doch diese Diskussion wird nicht stattfinden. Warum nicht? Weil die CDU nicht mitdiskutiert. Anfragen nach der Meinung der Christdemokraten zu Kühns Vorstoß bleiben unbeantwortet. Das hätte es früher sicher nicht gegeben.

Dabei lohnt es sich, diese Frage zu debattieren. Ist es wirklich so, dass sich aus 300 abgewiesenen Kindern schon die Notwendigkeit einer weiteren Gesamtschule ableitet? Ist der Rückgang von Anmeldungen am Gymnasium der Beginn des Endes dieser Schulform? Da lohnt sich die politische Analyse. Das hätten Wuppertals Christdemokraten vor zehn, 20 Jahren vielleicht auch so gesehen. Heute offenbar nicht. Heute ist es ihnen egal. Das Schuldezernat haben sie nach der Kommunalwahl vor zwei Jahren der SPD überlassen, und ohne Pöstchen scheint der CDU das Thema nichts mehr wert zu sein.

Stattdessen überlassen sie es dem gewohnt forschen neuen Schuldezernenten, Pflöcke für die Meinungshoheit einzuschlagen und spielen der Lehrergewerkschaft in die Karten, die Vielfalt in der Schullandschaft schon immer gern gegen Einfalt tauschen will.

Gesamtschulen leisten in Wuppertal zweifellos und attestiert hervorragende Arbeit. Das tun Gymnasien, Real- und Hauptschulen aber auch. Deshalb darf sich die Schullandschaft in Wuppertal nicht an Ideologien orientieren, sie muss sich an den Bedürfnissen der Kinder ausrichten. Aus diesem Grund ist es ebenso verfrüht, nach der 7. Gesamtschule zu rufen, wie ihr eine Absage zu erteilen.

Zu so viel Diplomatie waren Wuppertals Christdemokraten früher übrigens nicht durchgehend fähig. Aber ihr teils überlautes Poltern war immer noch besser als das Nichts, das heute von der Partei zu vernehmen ist. Seit der verlorenen Kommunalwahl macht die CDU im Rathaus einen saft- und kraftlosen Eindruck. Sie fungiert als Mehrheitsbeschaffer für die Politik der SPD und als Steigbügelhalter noch zu wählender sozialdemokratischer Dezernenten. Dabei braucht Kommunalpolitik selbstbewusste und diskussionsfreudige Parteien. Die CDU-Fraktion im Stadtrat aber scheint nur noch aus Lämmern zu bestehen. Und die Lämmer schweigen.