Das sind die Folgen von G8
Lehrer und Gewerkschaften begrüßen zum Großteil die Rückkehr zu G9 und benennen klar Nachteile der verkürzten Schulzeit.
Die Entscheidung für eine Rückkehr zu G9 ist gefallen. Die Landesregierung hat beschlossen, dass ab dem Schuljahr 2019/2020 das Gymnasium wieder neun Schuljahre dauern wird. Betroffen von der Entscheidung sind alle Grundschüler, die derzeit in die dritte und vierte Klasse gehen. Die Viertklässler werden zwar noch im G8-System eingeschult, werden aber im darauffolgenden Schuljahr auch auf G9 umgestellt.
Die schwarz-gelbe Koalition in NRW hatte nach der Landtagswahl nur drei Wochen gebraucht, das G8 weitgehend abzuschaffen. Dabei waren es die beiden Parteien, die die verkürzte Schulzeit zum Schuljahr 2005/06 umgesetzt hatten. Damals hieß es, deutsche Schüler seien zu schlecht und zu alt. In der internationalen Vergleichsstudie Pisa bekamen die deutschen Schüler vergleichsweise schlechte Noten. Zudem machten sie im internationalen Vergleich deutlich später ihren Abschluss.
Die Schulzeit wurde in der Sekundarstufe I um ein Jahr verkürzt. Diese Kürzung hat Christiane Genschel besonders gestört. Sie ist Schulleiterin des Ganztagsgymnasiums Johannes Rau und Sprecherin der Wuppertaler Gymnasien. „Wenn wir zu G9 zurückkehren, haben alle Schulen der Sekundarstufe I wieder den Mittleren Schulabschluss“, sagt Genschel. Schüler, die jetzt vor der Oberstufe das Gymnasium verlassen, haben nicht einmal einen Realschulabschluss in der Tasche. Mit G9 werde wieder eine größere Durchlässigkeit der Systeme erreicht.
Ein weiteres Problem der verkürzten Schulzeit ist, dass viele Schüler noch minderjährig sind, wenn sie die Schule verlassen. „Sie können keine Unterschriften leisten, zum Beispiel bei der Einschreibung zum Studium oder bei einem Mietvertrag“, berichtet Genschel. Viele Eltern wünschten zudem, dass sich ihre Kinder nachmittags mit anderen Dingen als Schule beschäftigen.
„G8 hat Unruhe in die Schule gebracht“, sagt Genschel. Die Gymnasien mussten die Lehrpläne von G9 auf G8 umstellen, was den meisten gut gelungen sei. Gleichzeitig habe es eine Strukturdebatte gegeben. „Schule hat aber die Aufgabe, Schüler auf den besten Weg zu bringen“, betont Genschel. In einer informellen Umfrage unter den Wuppertaler Gymnasien sieht es so aus, als würden alle zu G9 zurückkehren.
„Das müssen die Gymnasien schnell entscheiden“, sagt Karl W. Schröder, langjähriger Schulleiter des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums (CFG) und erklärter Gegner des G8. Die Eltern der Grundschüler wollten wissen, wohin die Reise geht - und das nicht erst Ende Januar 2019. Bis dahin können sich die Gymnasien entscheiden, ob sie G8 behalten oder zu G9 zurückkehren. „Ein Großteil der Eltern will zurück zu G9“, sagt Schröder. Das schließe aber eine verkürzte Schulzeit nicht aus. Es gebe immer die Möglichkeit, mit Hilfe von Begabungsförderung eine Klasse zu überspringen. „Wer für G9 votiert, bekommt G8 sowieso.“
In der Rückkehr zu G9 sieht Schröder die Chance, die Qualität am Gymnasium zu steigern. Ökonomie und Digitalisierung müssten eine größere Rolle im Unterricht spielen. „Ein Thema muss sein, wie Schüler auf das Studium vorbereitet werden können“, sagt Schröder angesichts hoher Zahlen von Studienabbrechern. Viele Dozenten an der Uni Wuppertal freuten sich über die Rückkehr zu G9. „Damit bekommt die Uni eine Altersgruppe, die studierfähig ist“, sagt Schröder.
Die schulischen Leistungen werden laut Studien durch G8 nicht negativ beeinflusst. In Mathematik oder naturwissenschaftlichen Fächern unterscheiden sich die Leistungen von G8- und G9-Schülern nicht. In Deutsch, Philosophie oder Kunst ist es aber ein großer Unterschied, ob ein Schüler 15 oder 16 Jahre alt ist. „Den Lehrern ist mit G8 eine wichtige Altersgruppe geraubt worden“, so Schröder. Auch sei das gewonnene Jahr häufig für Work- and Travel-Aufenthalte in Australien oder ein Freiwilliges Soziales Jahr genutzt worden, anstatt - wie ursprünglich gedacht - früher in den Beruf einzusteigen.
„Wir sehen G8 sehr kritisch“, sagt Helga Krüger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Es hätte funktionieren können, wenn es mehr Ganztagsgymnasien geben würde. Hier könne man Zeiten einbauen, in denen Hausaufgaben oder Mittagspausen gemacht werden können. „Das hat aber keine Tradition bei uns“, so Krüger. Deshalb habe das G8 Stress bei Schülern, Lehrern und Eltern hervorgerufen. Eine weitere Folge von G8: „Die Schüler sind weniger breit gebildet, weil es keine Zeit gab, Dinge zu vertiefen“, so Krüger.
NRW steht mit der Rückkehr zu G9 nicht alleine da. 2015 kehrte Niedersachsen als erstes Bundesland zu G9 zurück. Anfang April beschloss die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag die Rückkehr zu G9. In Hessen können die Schulen seit dem Schuljahr 2013/14 zwischen G8 und G9 wählen.