Wuppertal Den Bestattungen geht die Kultur verloren
Die Beerdigung unterliegt einem enormen Wandel. Ein Einblick vor den Gedenktagen.
Der Alte Lutherische Friedhof an der Hochstraße ist eine prachtvolle Anlage. Riesige Bäume ragen hinter historischen Mauern empor, auf dem Friedhof säumen die Bäume eine Allee den Friedhof hinunter und alte, fast monumentale Gräber historischer Persönlichkeiten machen einen Rundgang zu einem Einblick in die Elberfelder Geschichte.
Aber der Friedhof krankt. Denn die Kultur rund um Beerdigungen ist im Wandel. Und das trifft sowohl Friedhöfe und deren Betreiber als auch Bestatter und andere Menschen, deren Beruf sich mit den Vor- und Nachbereitungen befasst.
Beerdigungen spiegeln die Gesellschaft, in der sie stattfinden. Das beschreibt auch in Teilen das Grundproblem. Denn in unserer mobilen, schnelllebigen Gesellschaft haben Menschen immer weniger Zeit, sich um die Grabpflege zu kümmern. Sie leben nicht mehr in ihrer Geburtsstadt oder sind beruflich eingespannt. Der Trend geht deswegen zu mehr Anonymität, weniger Pflege, weniger Platz.
Ein Teil dessen ist der Trend zur Urne. Ingo Schellenberg, Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbandes, sagt, es habe in den 1980er Jahren etwa vier bis fünf Prozent Urnenbeisetzungen gegeben. „Heute sind es 65 bis 70 Prozent.“ Das habe finanzielle Gründe, sagt Schellenberg, aber hänge auch an der Gesellschaft. Viele wollten sich kümmern — könnten es aber nicht.
Christian Deimel, Inhaber von Kirschbaum Bestattungen, kennt das. Er sagt, der Trend zur Urne habe sich durchgesetzt — weil viele Menschen ihren Hinterbliebenen nicht zur Last fallen wollten, sagt er. „Allein der Gedanke, eine Last zu werden – das sagt doch schon etwas aus.“ Für Deimel ist das keine positive Entwicklung. „Ich finde es schön, sich um das Gedenken der Verstorbenen zu kümmern.“
Damit einher geht laut Ingo Schellenberg auch ein Verlust beim Zeremoniell der Bestattungen. „Mittlerweile wird bei knapp 20 Prozent der Bestattungen auf die Trauerfeier verzichtet — die starten an der Kapelle, nicht darin.“
Für den Bestatter Deimel gehen damit Rituale verloren — das „aus dem Leben gehen“ werde verlernt. Der Tod werde weggeschoben. Das zeige sich dadurch, dass immer weniger Bestattungen im Sarg stattfinden oder auch immer weniger Tote aufgebahrt würden. „Das hilft dabei, den Verlust zu verstehen und zu realisieren. Ich finde das gut und richtig“, sagt Deimel. Seinen Kunden eine bestimmte Art der Bestattung aufdrücken würde er nicht, betont er.
Egal, wie — die Bestattung an sich ist sein Geschäft. Dabei geht es darum, den Kunden zufriedenzustellen. Ähnlich geht es den Friedhöfen.
Denen gehen die Kunden verloren. Denn insgesamt sterben weniger Menschen. Und die, die sterben, lassen sich auf immer weniger Platz beerdigen. Gleichzeitig wollen sich die Angehörigen nicht mehr um die Grabpflege kümmern.
Das hat Auswirkungen. Am Friedhof an der Hochstraße arbeiten laut Anke Bünting von der Friedhofsverwaltung noch etwa zehn Menschen. „Früher waren es mindestens doppelt so viele.“
Und auch auf die Gestaltung hat das Auswirkungen. „Die Friedhöfe werden zu Parklandschaften“, sagt Ingo Schellenberg. Die entscheidende Frage in Wuppertal werde in den kommenden zehn Jahren sein, welche Friedhöfe noch genutzt würden und wie man die großen Flächen anderweitig nutzen könnte.