Coronavirus Einmal hat Wuppertal in der Krise die Messlatte gerissen
Wuppertal · Der von Bund und Ländern am Mittwoch beschlossene Notfallmechanismus sieht vor, dass Landkreise oder kreisfreie Städte wie Wuppertal beim Robert-Koch-Institut (RKI) künftig melden müssen, wenn innerhalb von sieben Tagen 50 oder mehr Neuinfektionen mit dem neuen Coronavirus pro 100 000 Personen erfolgt sind.
Wird die Grenze von 50 Neuinfektionen pro Woche überschritten, müssen neue Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen werden.
Die Zahl der Neuinfektionen in Wuppertal liegt aktuell deutlich unter dem vorgegebenen Grenzwert. Seit Wochen werden für das gesamte Stadtgebiet weniger als zehn neue Fälle pro Tag gemeldet. Im Rückblick auf die Entwicklung der Pandemie gab es lediglich zwei Wochen, in denen eine Meldung an das RKI erforderlich gewesen wäre, wenn es schon damals diese Bestimmung gegeben hätte: Vom 8. April bis zum 14. April erreichte die Zahl der getesteten Neuinfektionen ihren bisherigen Höhepunkt. Umgerechnet auf die rund 362 000 Einwohner in Wuppertal lagen in dieser Zeit die Werte zwischen 64,8 und 54,4 getesteten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner.
In den folgenden Tagen flachte die Kurve ab und es stellten sich die Effekte ein, die durch das Herunterfahren des öffentlichen Lebens erreicht werden sollten. Vom 20. bis 22. April näherte sich die Zahl der Neuinfektionen dann noch einmal der jetzt als kritisch definierten Zone. Sozialdezernent Stefan Kühn wies mehrfach auf eine mögliche Folge der sonnigen Ostertage (9. bis 13. April) hin, während derer die Disziplin vieler Menschen auf die Probe gestellt wurde. Die Auswirkungen wurden mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von bis zu 14 Tagen im Ansteigen der Kurve deutlich.
Ursache und Wirkung sind beim Coronavirus schwer zu erkennen
Das Problem ist die Latenzzeit. Die bezeichnet den Zeitraum vom Beginn der Infektion bis der oder die Infizierte selbst infektiös ist, also auch andere anstecken kann. Die Latenzzeit wird vom RKI mit etwa drei Tagen angegeben. Gefährlich bei Covid-19 ist: Bevor eine infizierte Person überhaupt Symptome (Ende der Inkubationszeit) zeigt, kann sie bereits andere anstecken. Für diese Zeitspanne gibt es noch keine allgemeingültigen Daten. Die bisherigen Studien ergaben Werte zwischen etwa fünf Stunden und zweieinhalb Tagen.
Spätestens seit dem 21. April ist die Kurve in Wuppertal wieder deutlich abgeflacht. Der Gesamtzahl der Infizierten (855) stehen aktuell 565 Genesene gegenüber. 74 Menschen sind mit und an dem Coronavirus gestorben. Aktuell infiziert sind (Stand Freitag) 216 Personen. Vor Ostern waren es 315, in den Tagen danach stieg die Zahl noch einmal auf 389 an, bevor die seit zwei Wochen anhaltende Phase der Entspannung eintrat, der jetzt bundesweite Lockerungen der Schutzmaßnahmen gefolgt sind.
Was in diesen Berechnungen fehlt, ist die Dunkelziffer, da nicht alle Menschen in Wuppertal getestet werden können. Selbst wenn man von einem Faktor 10 ausgeht, hätten in Wuppertal bisher weniger als 10 000 Menschen eine Infektion durchgemacht. Von einem Herdenschutz durch Immunität kann nicht die Rede sein. Da es keinen Impfstoff gibt, muss auf lange Zeit mit Neuinfektionen gerechnet werden. Hinzu kommt, was kein Geheimnis ist: Wuppertal ist keine Insel. Das gilt allerdings für fast alle Landkreise und kreisfreien Städte. Für die die 50-Fälle-Grenze des Notfallmechanismus ebenfalls das Maß aller Dinge ist.