Antikriegstag Denkmal für Deserteure eingeweiht
Zum Antikriegstag wurde in Ronsdorf ein Mahnmal für auf Erbschlö erschossene Deserteure enthüllt.
Es war ein milder Frühlingstag im Jahr 1945. Herbert Schulz nutzte ihn zur Gartenarbeit, als er von drei Soldaten am Gartenzaun nach dem Weg Richtung Solingen gefragt wurde. Einer Ahnung folgend, riet der Ronsdorfer den Männern, einen anderen Weg einzuschlagen, um nicht in die Hände linientreuer Nazis zu fallen. Doch die Männer schlugen seinen Rat in den Wind und folgten der Straße weiter, geradewegs in ihren Untergang.
Ein Nachbar bemerkte die Soldaten, benachrichtigte die Feldjäger und kurze Zeit später wurden sie festgenommen. Verbrieft ist: Am 28. März 1945 wurden die Männer vor einem Standgericht wegen Fahnenflucht verurteilt und gleich darauf auf dem Erbschlö hingerichtet. So konnte Günter Urspruch vom Heimat- und Bürgerverein Ronsdorf die Geschehnisse ermitteln. „Es wird berichtet, dass die Leichen direkt an der Straße abgelegt wurden und dort mehrere Tage verblieben. Wo sie bestattet wurden, ist bis heute unklar“, so Urspruch.
Genau diese Geschichte war der Ursprung für die Idee, einen Weg zu finden, der Wehrmachtsdeserteure würdevoll zu gedenken. Ein Treffen mit Schülern und Lehrern der Erich-Fried-Gesamtschule vor rund fünf Jahren gab der Sache neuen Schwung. Gemeinsam mit der Begegnungsstätte Alte Synagoge und mit Rückendeckung der Bezirksvertretung machten sich die Schüler ans Werk.
Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge schlug das Thema für die Gestaltung des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus 2015 vor. Historiker Florian Hans aus Münster begleitete die Arbeit der Jugendlichen, die feststellten, dass Deserteure durchaus unterschiedlich beurteilt wurden. Ihre Gestaltung der Gedenkfeier fand viel Lob.
Schüler befragten
in Ronsdorf Passanten
„Zunächst haben wir mit Passanten gesprochen“, erinnert sich Till Sörensen, der mit Leon Wilke und Merlin Metag zu der Arbeitsgruppe gehörte. Die Ergebnisse erschütterten die Jugendlichen: „Es gab Menschen, die auf der Straße geweint haben. Sie hatten als Kinder auf dem Erbschlö Patronenhülsen gesammelt und es war ihnen all die Jahre gar nicht bewusst, dass diese von Erschießungen herrührten.“ Doch auch Bürger, die die Soldaten als Verräter bezeichneten, sind ihnen begegnet. Ein Grund mehr, das Projekt auch nach dem Ende ihrer Schulzeit fortzusetzen.
Im Zuge der Recherchen brachte der Historiker Florian Hans noch weitere Belege für erschütternde Schicksale ans Tageslicht. Zu Beginn der Arbeiten waren acht Deserteure namentlich bekannt, die auf dem Erbschlö erschossen wurden – inzwischen sind 23 belegt. Der Jüngste von ihnen zählte 18 Jahre.
Seit dem gestrigen Sonntag erinnert nun im Ronsdorfer Stadtgarten – schräg gegenüber dem Bandwirker-Bad – ein Denkmal an ihr Schicksal. Es besteht aus acht unregelmäßigen Quadern, deren Höhe sukzessiv ansteigt. Die Inschriften „Verflüchtigt, Verfolgt, Verhaftet, Verurteilt, Vernichtet, Verdammt, Verloren, Vergessen“ sollen den Werdegang eines Deserteurs beschreiben.
„Es ist beschämend, dass es so lange gedauert hat“, bekennt Oberbürgermeister Andreas Mucke vor dem zahlreich erschienen Publikum. „Das Grundrecht ,Die Würde des Menschen ist unantastbar’ gilt auch für Deserteure“, bekundete er in einer Feierstunde. Das Denkmal solle einen Prozess anstoßen: „Es soll zum Nachdenken anregen, es soll impfen gegen die Keime des Rassismus“, hofft er – auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, in deren Vorfeld „rechtes Gedankengut verbreitet wurde“.
Mit dem Appell, nicht zu schweigen, sondern sich darauf zu besinnen, dass die Gegner dieser Strömungen ihren Protest laut äußern mögen, wurde schließlich das Denkmal enthüllt. Das Datum ist übrigens nicht zufällig gewählt. Der Antikriegstag am 1. September erinnert an den deutschen Überfall auf Polen im Jahr 1939.