Wuppertal Der Druck, dem Ideal zu entsprechen
Mitarbeiter der Familienberatung sprechen über die Erwartungen an das Weihnachtsfest — und geben Tipps zur Entspannung.
Wuppertal. Weihnachten ist das Fest der Liebe, der Familie, der Besinnung, der Ruhe, der Gemütlichkeit — und deswegen nicht zuletzt das Fest der hohen Erwartungen.
„Die Erwartungshaltung ist total überfrachtet“, sagt Uwe Faulenbach, Diplom-Heilpädagoge bei der Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern der Stadt. Und die Gefahr, sich „finanziell, emotional oder zeitlich zu überfordern“, sei hoch. Das Problem sei dabei für viele Familien, dass die Probleme aus dem Alltag nicht vor der Tür bleiben, sagt er. Das Spannungsfeld baue sich auf, so seine Kollegin Ute Sonnenschein, Diplom-Psychologin, weil sich die Bilder aus der Reklame, dem Fernsehen und von Postkarten eingebrannt haben. „Da ist der Druck, es genauso zu machen“, sagt sie.
Ute Sonnenschein, Diplom-Psychologin
Dabei, so empfehlen beide, solle man vor allem darauf achten, dass es allen gut gehe, alle ihren Raum bekämen. Das sei am besten möglich, indem man darauf achte, was man selbst brauche, was die anderen brauchen — und indem man das Fest gut plane.
Das gelte besonders für Menschen in „getrennt-lebender Elternschaft“, sagt Faulenbach. Da gehe es manchmal um Stunden.
Auch für alle anderen gibt es aber mögliche Konflikte. Und da biete es sich etwa an, das Fest nach dem Alter der Kinder auszurichten, sagt Sonnenschein. Für Kinder bis sechs oder acht Jahren sei das Magische an Weihnachten noch sehr wichtig — der Weihnachtsmann, die Engel, die Überraschung, etwas unter dem Baum zu finden. Faulenbach gibt aber zu bedenken, dass die Kinder spätestens ab der Grundschule auch von außen beeinflusst seien. „Bis dahin ist es das Fest der Eltern“, sagt Faulenbach, das ändere sich dann.
Mit Teenagern müssten sich Eltern ohnehin neu aufstellen. Sonnenschein: „Weihnachten ist das Fest der Liebe und der Verbundenheit, aber für Jugendliche gilt das nicht nur nach innen. Die blicken auch nach außen, zu ihren Freunden.“ Da müsse man auch sehen, dass es legitim sei, wenn die Kinder etwa sagen: „Bis 22 Uhr bin ich bei euch, aber dann möchte ich in die Disco“, sagt die Psychologin. Das nehme nicht die Bindung zur Familie, sondern gehöre eben dazu.
Interessant werde es auch, wenn Kinder selbst eine Haltung mitbringen - etwa nicht in die Kirche wollen, sagt Faulenbach.
In all diesen Fragen gelte es, Kompromisse zu finden. Und auch wenn die Feinfühligkeit und Verantwortung für das Fest eigentlich bei den Eltern liege: „An Weihnachten können auch die Jugendlichen mal darauf achten, was den Eltern wichtig ist“, findet Sonnenschein. Kompromisse sollten also von beiden Seiten kommen.
Das Problem ist aber, wenn es solche Konflikte im Alltag gibt, bleiben sie auch Weihnachten nicht aus. Das gilt auch für Streitereien wegen der Smartphone-Nutzung oder beim Müllrausbringen.
Für Sonnenschein und Faulenbach ist ein Weg, gemeinsam Aufgabenfelder zu benennen, die jeder an Weihnachten übernehmen kann. Etwa ein Sicherheitsbeauftragter, der darauf achtet, dass die Kerzen aus sind, wenn alle zum Essen gehen. Oder ein Papierbeauftragter, der das Geschenkpapier zwischendurch einsammelt, damit es auch ordentlich und hübsch bleibt. Solche Aufgaben zu entwickeln „schweißt unheimlich zusammen“, sagt Faulenbach, vor allem mache es Spaß.
Aber: Solche Abmachungen seien kein Mittel, um Erziehungskonflikte auszutragen nach dem Motto: Du bringst doch sonst nie den Müll raus. Alles müsse auf freiwilliger Basis passieren.
Auch wichtig, sagt Sonnenschein, sei es, darauf zu achten, dass das Gegenüber sich Mühe gegeben hat — da gehe es um Wertschätzung. Das gilt für Geschenke, für die Deko, für das Essen. Aber das sei alles nicht allgemeingültig, sagt Faulenbach. Die Probleme und Lösungen seien eben so individuell wie die Familien. Nur an Weihnachten — da wollen dann alle das selbe. Ein frohes Fest.