Der Westen macht Putin stark

Boris Reitschuster sprach in der Schützengesellschaft über Russland.

Foto: Andreas Fischer

Boris Reitschuster gilt regierungstreuen Medien in Russland als Staatsfeind. Darauf weist der Journalist und Autor mit einem gewissen Stolz hin. In einer Fernsehsendung war sein Foto neben denen von Leuten wie Boris Nemzev zu sehen. Als einziger Ausländer hat der ehemalige Korrespondent des „Focus“ es zu dieser Ehre gebracht. Für einen Journalisten ist das ein Ritterschlag in einem Land, das von einer Machtclique um Wladimir Putin regiert wird.

Nur zwei Tage nach der wenig überraschenden Wiederwahl Putins machte Reitschuster auf Einladung der Rotary-Clubs Wuppertal und Wuppertal-Haspel Station in der Schützengesellschaft. Im Gepäck zwei Bücher sowie Geschichten, Fakten und Anekdoten eines Staates, der immer noch riesengroß ist und doch klein. „Wir müssen zwischen dem Volk und den Regierenden unterscheiden“, sagt Reitschuster an mehreren Stellen seines Vortrages. Er liebt Russland und die Russen, Putin und seine Entourage liebt er nicht. Und auch Altkanzler Gerhard Schröder wird es nie auf die Freundschaftsliste des 46 Jahre alten Augsburgers schaffen. Dass Schröder den Aufsichtsrat des staatlichen russischen Energiekonzerns Gasprom leitet, ist allerdings nicht nur Reitschuster ein Dorn im Auge.

Für den Autoren ist Russland von einer Demokratie derzeit Lichtjahre entfernt. Er sieht sogar Anzeichen für eine neuerliche Verherrlichung Stalins, der bis zu 20 Millionen Russen auf dem Gewissen hat. Statuen des 1953 gestorbenen Machthabers tauchen laut Reitschuster im Straßenbild wieder auf.

Was noch schwerer wiegt, sind Korruption und mafiöse Strukturen. Reitschuster beschreibt sie mit vielen Beispielen glaubwürdig. Dass ein Prozent der Russen über fast 75 Prozent des Vermögens verfügt, ist in der Interpretation von Reitschuster dafür ein Indiz.

Dass dennoch so viele Exilrussen auf Putin schwären, begründet Reitschuster mit einer gewissen Verklärung. Je weiter die Russen von ihrer Heimat entfernt seien, desto stärker fühlten sie sich an Putin gebunden. „In den baltischen Staaten ist das anders“, sagt er. „Die sehen, was in Russland wirklich los ist.“ In dem riesigen Reich regieren Gewalt, Unterdrückung und Angst. Widerstand wird unterbunden, zur Not mit politischen Morden wie an Boris Nemzev, den Reitschuster wie viele Russen als Freund bezeichnet.

Dennoch empfiehlt der Journalist, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Allerdings sollte sich der Westen dabei an Politikern wie Adenauer, Brandt, Schmidt und Kohl orientieren, Gesprächsbereitschaft und Entschlossenheit dokumentieren. Das sei derzeit nicht so. „Putin ist so stark, weil der Westen so schwach ist“, sagt Reitschuster. Ein Ende der Ära Putin sieht er nicht. „Vielleicht, wenn der Ölpreis mal deutlich sinkt. Dann geht ihm das Geld aus.“ ll