Die Erdbeerstellen im Tal
Gemeindepfarrer Holger Pyka über sein persönliches Glück.
Im Schwedischen gibt es ein Wort für diese besonderen Orte, an denen man mit sich und der Welt so im Großen und Ganzen im Reinen ist. „Smultronställe“ sagt man dazu, also „Walderdbeerstelle“. Das Geheimnisvolle schwingt dabei immer ein bisschen mit - man verrät seine Erdbeerstellen nicht so einfach jedem. Ich werde also einen Teufel tun und allen Mitlesenden hier verraten, wie glücklich es mich macht, im wahrscheinlich weltbesten Gewürzladen die unendlich vielen Aromen zu riechen und der Verkäuferin dabei zuzusehen, wie sie Muskatblüten oder Pomeranzenschale aufs Gramm genau mit ihrer riesigen Waage abwiegt. Ich werde auch niemandem weitersagen, dass es ein paar Häuser weiter den besten Kimchi der Stadt gibt, weil es ohnehin viel glücklicher macht, selber zuhause Kraut zu stampfen.
Ich werde auch niemandem von dem Spaß verraten, gemeinsam in einer alten Backstube auf dem Ölberg vorzulesen. Und schon gar nicht erzähle ich, wie glücklich es mich macht, sonntagmorgens mit anderen zusammen zu beten, zu singen, zu schweigen und zu spüren: Wir sind nicht allein.
Ich bitte Sie, da könnte ja jeder kommen. Glück lebt schließlich auch vom Geheimnis. Wenn ich mir so meine mehr oder weniger geheimen Wuppertaler Glücksorte vorstelle, dann fällt mir eines auf: Sie alle bringen mich in die Nähe von Menschen, die mit Leidenschaft das tun, was sie tun. Dabei ist es völlig egal, was es ist. Das kann der Imbissbudenbesitzer sein, der zu jeder Pommesschale eine handgefaltete Serviette reicht und mir verrät, dass Ayran immer besser schmeckt, wenn man ihn lächelnd ins Glas gießt. Oder das Kind, das vor der Holsteiner Treppe steht und fest entschlossen ist, der Farbe jeder einzelnen Stufe einen Namen zu geben. Oder die Inhaberin eines winzig kleinen Fachgeschäfts, die zwei Stunden über die Vorzüge verschiedener Wollsorten philosophieren kann. Dann pflücke ich mir in Gedanken ein paar Walderdbeeren und freue mich, so eine tolle Stelle gefunden zu haben. Verraten werde ich sie nicht - suchen Sie sich selbst welche, es gibt mehr als genug davon in Wuppertal.