Lehrer-Tagebuch Generation Whats-App ist durchaus noch kreativ

Wuppertal · Lehrer Arne Ulbricht über ungewollte Erfahrungen in einem Theaterkurs.

Arne Ulbricht und Sohn

Foto: steiner/ulrbicht/STEINER

Fast alle Schulen bieten Projekttage an, und das ist auch gut so. Schließlich hat man viel zu selten die Gelegenheit, klassen- und jahrgangsübergreifend frei von Notendruck gemeinsam an was auch immer zu arbeiten und dabei Spaß zu haben. An meiner Schule liegen die Projekttage in der Woche vor den Sommerferien, und das ist ein genialer Schachzug. Denn wer quält sich nicht an diesen oft heißen Tagen durch den Schulalltag? Gegen diese Schullethargie wirken Projekttage wie ein Aufputschmittel.

Auch ich biete in diesem Jahr einen Projektkurs an. „Szenisches Lesen“ für die Klassenstufen fünf bis sieben. Das ist doch super, denke ich und freue mich auf mein Projekt, das die Schüler bestimmt begeistern wird. Die Schüler sehen das allerdings anders. Es melden sich nur zwei an, und weil das zu wenige sind, werde ich einem Theaterkurs zugeteilt.

Mein Ego hat, das gebe ich zu, kräftig gelitten, und Lust, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, habe ich auch nicht. Muss ich aber, und so stehe ich angeödet bei der Vorstellrunde neben einer Lehrerin, die 30 Schülerinnen erzählt, was sie erwarte und was sie geplant habe; ich nicke dämlich, als hätte ich mir alles selbst ausgedacht.

Die drei Tage sind dann… fast das Beste, was ich seit Beginn meines Referendariats im Jahr 2002 an den neun Schulen, an denen ich unterrichtet habe, erlebt habe. Zum Beispiel lassen sich die zehn- bis fünfzehnjährigen Mädchen italienischer, türkischer, polnischer, russischer, arabischer und deutscher Herkunft ohne zu jaulen in Gruppen einteilen und entwickeln wie im Rausch Theaterstücke zum Thema Monster. Sie schreiben die Dialoge selbst, proben selbstständig und verknüpfen am Ende alle Szenen zu einem zusammenhängenden Stück, das natürlich aufgeführt wird. Meine Aufgabe besteht vor allem darin, herumzugehen und zu fragen, ob ich helfen könne. Da dies quasi nie der Fall ist und die Kollegin bewundernswert souverän und organisiert ist, verbringe ich die Zeit damit, darüber zu staunen, was die Generation WhatsApp in einem solchen Kreativprozess alles auf die Beine stellen kann. Wow!

Nächstes Jahr biete ich trotzdem wieder Szenisches Lesen an. Und sollte sich niemand eintragen, werde ich mich darauf freuen, in irgendeinem anderen Projekt viel dazuzulernen.