Auch mehr Interesse an Kampfsport Die Zahl der Kleinen Waffenscheine hat sich in Wuppertal in zehn Jahren verdreifacht
Wuppertal · Bei Schützenvereinen geht es nicht um Verteidigung, sondern um Tradition.
Die Zahl der Menschen, die einen sogenannten Kleinen Waffenschein besitzen, steigt in NRW seit Jahren kontinuierlich und auch im Bergischen Städtedreieck ist dieser Trend zu beobachten. Laut den Zahlen, die das Polizeipräsidium Wuppertal der WZ zur Verfügung gestellt hat, gab es in den vergangenen zehn Jahren in Wuppertal, Remscheid und Solingen insgesamt eine Steigerung um rund 205 Prozent. Zur Frage, wie es um das Sicherheitsgefühl der Wuppertaler bestellt ist, hat sich WZ bei verschiedenen Akteuren und Institutionen umgehört.
Durch die jüngsten Gewaltakte, bei denen Menschen durch Waffen, insbesondere Messer zu Schaden oder gar ums Leben kamen, wäre zu vermuten, dass sich mehr Leute gegen Übergriffe oder Attacken wappnen wollen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Thorsten Strebe berichtet von mehr Anmeldungen, die er in seiner Kampfsportschule K3 in jüngster Zeit verzeichnen konnte. Meist herrsche vor den Ferien anmeldungstechnisch eher Flaute und erst, wenn die Schule wieder begonnen hat, meldeten etliche Eltern ihre Kinder an, weil sie zum Beispiel in der Schule gemobbt wurden, so Strebe.
„Im Ernstfall nicht den Helden spielen“
Im K3 kann man Krafttraining betreiben, insbesondere aber werden dort hauptsächlich Karate, Kickboxen und das israelische Selbstverteidigungssystem Krav Maga von Strebe und seinem Team unterrichtet. Nicht alle, aber viele kommen mit einem Ziel ins K3: „Sie wollen sich sicher fühlen.“ Auch von Schulen kommen in den vergangenen Jahren mehr Anfragen nach Seminaren für Selbstverteidigung, so der Krav-Maga-Experte Strebe.
Er rät grundsätzlich davon ab, angesichts einer Konfrontation den Helden spielen zu wollen, bei denen das Gegenüber mit einem Messer bewaffnet ist. Er rät in solch einer Situation zum Weglaufen. Ist das nicht möglich, ist vielleicht die Verteidigung mit einem Gegenstand möglich. Erst zuletzt rät Strebe zum Einsatz bestimmter Messerabwehrtechniken, die unter anderem auch im Krav Maga gelehrt werden.
Die Messerabwehr mit bloßen Händen wird auch im Aikido praktiziert. Peter Goldmann besitzt 30 Jahre Erfahrung in dieser japanischen Kampfkunst, die nicht auf die Vernichtung des Gegners zielt, sondern bei der mit der Angriffsenergie des Gegenübers gearbeitet wird. Mehr Anmeldungen konnte er bislang in seiner 16-köpfigen Gruppe unter dem Dach des SSV Germania nicht verzeichnen. Auch er rät bei einem Messerangriff: „Beine in die Hand nehmen und laufen. Ein Fehler – und es ist vorbei.“ Man sei nicht im Film, wo der Messerkampf meist nicht realistisch dargestellt werde.
Thomas Feldmann leitet die Abteilung Sportschützen im PSV Wuppertal und hat gelegentlich mit Leuten zu tun, die über die Mitgliedschaft im Polizeisportverein leichter an eine Waffe zu gelangen hoffen. „Wenn ich denen die Bedingungen für die Mitgliedschaft erkläre, höre ich von denen schon nichts mehr.“ Man beginnt mit der Luftpistole, muss regelmäßig an Trainings und Wettkämpfen gemäß strikt reglementierten Schießbüchern teilnehmen und etliche andere Anforderungen erbringen. Die Waffe darf man nicht einfach so mit sich führen, sondern nur zu Wettkämpfen und zur Reparatur transportieren, und auch das nur unter strengen Auflagen.
Auch Dirk Potthoff, stellvertretender Vorsitzender der Schützengesellschaft Vohwinkel 1904, betont: „Bei uns geht es nicht um die Verteidigung mit Waffen. Wir achten sehr darauf, dass Leute mit falschen Vorstellungen nicht bei uns aufgenommen werden.“ Auch er betont, dass die Waffen nur zu bestimmten Gelegenheiten in geschlossenen und zugriffssichern Behältern sowie gesondert von der Munition transportiert werden dürfen. Der Schlüssel zum heimischen Schrank mit den Sportgeräten – die Schützen vermeiden den Ausdruck „Waffen“ – sei zudem so sicher aufzubewahren wie die Sportgeräte selbst.
Von Waffenverbotszonen, wie sie die Junge Union (JU) in Wuppertal fordert, hält Potthoff nicht viel. Zwar gebe es bestimmte Gegenden in Wuppertal, um die er und seine Frau einen Bogen machten, wie er im WZ-Gespräch berichtet. Aber das Vorhaben der JU hält er dennoch für keine sinnvolle Maßnahme. Er räumt indessen ein: „Früher hat man als Junge mit sechs Jahren das erste Messer bekommen und es zum Schnitzen oder Äpfelschälen benutzt. Aber vielleicht ist die Zeit jetzt eine andere.“
Dass Leute aus Selbstverteidigungsgründen Mitglied bei ihnen werden wollen, hat Adrian Reiter, Pressesprecher des Schützenvereins Dönberg 1929, noch nicht erlebt, wie er der WZ berichtet. „Bei uns im Verein geht es ausdrücklich nur um Tradition und Sport. Wir distanzieren uns von jeglichen Personen, die Schützenvereine mit Selbstverteidigung in Zusammenhang bringen. Gewalt hat bei uns keinen Platz und wird nicht toleriert.“