Diese Carmen ist gefährlich, aber nicht unbedingt sexy
Ab dem 30. Juni ist die Oper in Wuppertal zu sehen.
Die Opéra-comique „Carmen“ von Georges Bizet ist seit ihrem Siegeszug wenige Monate nach ihrer Uraufführung am 3. März 1857 in Paris bis heute eine der weltweit am meisten aufgeführten Opern. Die Premiere kam hingegen nicht gut an, weil die Milieuschilderung ungewohnt wirklichkeitsnah ist. Sie gilt als Vorläufer der Gattung Verismo. Merkmale dieses Typs sind realistische Geschichten, die im niederen sozialen Milieu angesiedelt sind und mit einem gewaltsamen Höhepunkt enden.
Nun wird sie vor den Theaterferien, am 30. Juni um 19.30 Uhr, im Opernhaus auf die Bühne gehoben. In der Upperclass befindet man sich wahrlich nicht. Die Geschichte ist in Spanien an den Randzonen der Gesellschaft angesiedelt. Es geht um einfache Soldaten, Arbeiterinnen einer Zigarettenfabrik, Zigeuner, Schmuggler und — wie soll es auf der iberischen Halbinsel anders sein — einen Stierkämpfer.
Fälschlicherweise wurde Bizet angehängt, seine Musik sei zu sehr an Richard Wagner orientiert. Doch der Schein trügt. Es gibt sparsamen Gebrauch von Erinnerungsmotiven wie jenes, welche mit der Zigeunertonleiter verwandt ist. Es kennzeichnet die Gegenwart Carmens und ihre schicksalhafte Macht. Von Leimotivik à la Wagner kann keine Rede sein. Charakteristisch sind vielmehr arien- und liedartig geschlossene Nummern.
Carmen ist die erste Opernproduktion von Candice Edmunds. Die künstlerische Leiterin des renommierten schottischen Theaters „Vox Motus“ hat deswegen aber kein Lampenfieber. „Die Opernmaschine ist zwar sehr groß. Aber die Mission ist die Gleiche“, erklärt sie. Was können nun die Opernfreunde ab übermorgen erwarten? Edmunds siedelt die Handlung in der Zeit des spanischen Bürgerkriegs an. Inspiriert wurde sie von einem Foto, das Kinder während dieser Zeit darstellt, die spielerisch eine Hinrichtung nachmachen. Auch Bizets Straßenkinder im ersten Akt imitieren - und zwar die aufziehende Wache.
Doch die Charaktere der Protagonisten sind ihr viel wichtiger als die Handlung — ganz im Sinn der Librettisten und des Komponisten. Carmen ist für sie nicht unbedingt sexy. Edmunds: „Sie hat eine unglaubliche Sicherheit. Sie ist ein Zigeunertyp, trifft nur schlechte Entscheidungen. Ihre Beziehungen sind giftig. Sie weiß, wer sie ist. Sie kommt aus einer gefährlichen Welt mit gefährlichen Leuten.“ Don Josés Persönlichkeit hält sie für traurig, verloren. Er versuche, seinen Weg zu finden. Aber er ist laut Edmunds „Toxic deep in security“. Das bedeutet so viel wie: Er ist so sehr auf Sicherheit bedacht, dass es richtig abscheulich sein kann. Micaela verfügt ihrer Meinung nach über einen sehr starken Charakter. Sie kommt vom Land und sei ein wenig naiv.
Edmunds hat vor, die Gegensätze der Hauptpersonen darzustellen. Es ist der Konflikt zwischen vier Wesen, die unvereinbar aufeinanderprallen.
“ Die nächsten Aufführungen sind am 30. Juni (19.30 Uhr, Premiere), 5. Juli (19.30 Uhr), 7. Juli (19.30 Uhr), 12. Juli (19.30 Uhr), 15. Juli (16 Uhr).
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