Ein Blick in eine Welt, in der vieles im Dunklen bleibt
„Die türkische Freundin“: neues Buch von Michael Zeller.
Das Fenster auf dem Titelbild öffnet sich in eine dunkle Nacht, in der ein heller Halbmond wie ein Boot schwimmt. Sehr sinnbildlich hat Jorgo Schäfer diese Illustration für Michael Zellers neues Büchlein „Die türkische Freundin“ gestaltet: Denn Zellers Geschichten und Gedichte versuchen einen Blick auf eine Welt, in der vieles im Dunkeln bleibt. Vereint sind unterschiedliche Szenen dadurch, dass Menschen türkischer Herkunft im Mittelpunkt stehen.
Das Hauptstück bildet die titelgebende Erzählung über die junge Nachbarin Yasemin. Dabei wählt Zeller die Erzählperspektive aus der Sicht eines Nachbarn namens Andrich — vornamenslos. Um sich weiter zu distanzieren, schaltet Zeller ein Vorwort ein, in dem er einen weiteren Nachbarn „Borck“ als Verfasser dieser Erzählung einführt.
Yasemin wohnt nebenan, Tochter türkischer Fabrikarbeiter. Andrich sieht sie aufwachsen, hilft ihr bei den Hausaufgaben. Nach und nach entwickelt sich eine Beziehung zwischen dem Mädchen und dem Erwachsenen. Ihm gesteht sie ihre erste Liebe, holt sich Rat, als sie am Abitur scheitert. Dann heiratet sie und zieht weg. Nach 25 Seiten endet der erste Teil der Erzählung und es folgen Skizzen alltäglicher Beobachtungen. Zwei Jungen beim Fußballspielen, ein türkisch-stämmiger Student, der sich in der SPD engagiert, ein Gespräch im türkischen Supermarkt. In einem poetischen Grundton schildert Zeller die Begebenheiten, mit einem scharfen Blick für Nuancen und Bedeutungen. Manche Gedichte bleiben rätselhaft. Die Erzählungen packen sofort.
Ganz am Schluss der 107 Seiten folgt Teil zwei der Erzählung über Yasemin. Inzwischen ist sie eine erwachsene Frau mit zwei pubertierenden Teenagern, die mit reichlich Sorgen zu kämpfen hat. Fasziniert schildert Andrich, wie sie am Telefon zwischen Weinen und Lachen pendelt, jeder Situation eine positive Seite abgewinnt und Stärke beweist. tah