Eine Zeitkapsel aus dem Jahr 1965

Beim Abriss der Evangelischen Kirche Goerdelerstraße entdeckten Arbeiter ein Blechrohr mit alten Zeitungen und einem kompletten Satz D-Mark-Münzen.

Vohwinkel. Es war ein spannender Fund, den Arbeiter beim Abriss der Evangelischen Kirche Goerdelerstraße machten. Hinter dem Grundstein des Gotteshauses verborgen entdeckten sie ein beidseitig verlötetes Blechrohr. Gewicht und Form ließen auf eine Zeitkapsel vom Tag der Grundsteinlegung am 24. April 1965 schließen. Der Verdacht sollte sich schnell bestätigen. Ebenso die Hoffnung auf vielversprechenden Inhalt. Gerade wurde die Kapsel vom Vorstand des Presbyteriums geöffnet. Die darin enthaltenen Dokumente und Erinnerungsstücke geben einen lebendigen Einblick in die Historie der Gemeinde und der Stadt.

Foto: Stefan Fries

Dazu gehört unter anderem eine Urkunde des damaligen Presbyteriums, die auf den Tag der Grundsteinlegung datiert ist. Außerdem fanden sich handgezeichnete Pläne der Kirche. Zum Inhalt gehören noch Ausgaben der drei damals erhältlichen Tageszeitungen, darunter ein Exemplar des damaligen Wuppertaler General-Anzeigers, eine Kirchenzeitung und ein Hammersteiner Gemeindebrief. Abgerundet wird das Ganze von einem kompletten Satz D-Mark-Münzen mit einem Fünfmarkstück aus Silber.

„Der Fund ist wirklich sehr beeindruckend“, sagt Presbyteriumsvorsitzender Armin Lange. Besonders interessant findet er die Baupläne, die einen nicht verwirklichten Kirchturm enthalten. Auch die Urkunde, die das damalige Bauvorhaben ausführlich beschreibt und die beteiligten Personen nennt, sei ein einzigartiges Zeitdokument. Das Presbyterium habe sich mit der Öffnung der Kapsel bewusst Zeit gelassen. „Der Abriss der Kirche Geordelerstraße vor zwei Jahren war für die Gemeindemitglieder bereits sehr emotional, daher wollten wir noch etwas warten“, erklärt Armin Lange. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Öffnung im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung vorzunehmen. Am Ende entschied sich der Gemeindevorstand aber gegen dieses Vorhaben. Was mit dem Inhalt geschehen soll, will das Presbyterium demnächst beraten.

Für Gemeindemitglied Wolf-Dieter Stuhlmann ist die Zeitkapsel mit vielen lebendigen Erinnerungen verbunden. Er hat den Tag der Grundsteinlegung an der Goerdelerstraße als Jugendlicher selbst miterlebt. „Das war für unsere Gemeinde ein ganz wichtiger Moment und wir haben sehr mitgefiebert“, berichtet Stuhlmann. Später hat er sich viele Jahre in der Kirche und dem angrenzenden Gemeindezentrum bei der Jugendarbeit beteiligt. Umso schmerzlicher war für Stuhlmann der Abriss des Gotteshauses. „Ich kann aber die Gründe dafür nachvollziehen und blicke nach vorn“, sagt er.

Durch die stetig sinkende Zahl der Mitglieder verringern sich auch im Stadtteil die Einnahmen aus Kirchensteuern. Daher waren zwei Kirchen für die Evangelische Gemeinde Vohwinkel langfristig nicht zu tragen. Die Zeitkapsel gibt dagegen einen Einblick in die Jahre, in denen von Mitgliederschwund noch nichts zu spüren war.

Gegründet wurde die Evangelische Gemeinde Vohwinkel bereits 1886. Vorausgegangen war ein jahrelanger Kampf um die Selbstständigkeit. Die Muttergemeinde Sonnborn sah ihre Schäfchen gar nicht gern ziehen, was schon damals mit den entsprechenden Kirchensteuerausfällen zusammenhing. Doch die Vohwinkeler im rasant wachsenden Stadtteil setzten sich schließlich durch. Angesichts eines regelrechten Bevölkerungsbooms der Jahrhundertwende waren Kirchaustritte und unbesetzte Pfarrstellen damals kein Thema. Allein zwischen 1890 und 1905 hatte sich die Zahl der Mitglieder auf 6000 verdoppelt.

Heute gehören der Evangelischen Gemeinde Vohwinkel rund 8500 Gläubige an. 1889 wurde der Grundstein für die Kirche an der Gräfrather Straße gelegt und bald darauf entstand gegenüber auch ein neues Gemeindehaus.