Begrabt mein Herz in Wuppertal Einmal stechen: Betriebsstörung kurz

Vielleicht hätte man die neue Schwebebahn in China statt in Spanien bauen lassen sollen, gibt Uwe Becker zu bedenken.

 Uwe Becker ist Chefredakteur des Satiremagazins Italien. 

Uwe Becker ist Chefredakteur des Satiremagazins Italien. 

Foto: Joachim Schmitz

In diesem Monat feiert Friedrich Engels seinen 199. Geburtstag. Ich wüsste nicht, was man dem großen Sohn unserer Stadt zu seinem Ehrentag schenken könnte - in diesem Alter hat man ja auch schon praktisch alles. Aber eine Sache, die würde ich ihm und uns allen wünschen: dass zumindest im kommenden Jahr, wenn der 200. Geburtstag des bekannten Barmers gefeiert wird, unsere Schwebebahn einen richtigen Lauf hat und nur in den Haltestellen stehenbleibt, damit planmäßig Fahrgäste aus- und einsteigen können. Die Hoffnung ist gering, dass in sehr naher Zukunft alles wieder in Ordnung kommt, seit feststeht, dass die Drehgestelle aller 31 Züge Risse aufweisen und langfristig ausgetauscht werden müssen.

Was mich persönlich auch heute noch ein wenig traurig macht ist die Tatsache, dass Friedrich Engels die weltweit einmalige Hängebahn nie benutzen konnte, da der Unternehmersohn und Erfinder des Kommunismus fünf Jahre vor Fertigstellung der Schwebebahn verstarb. Andere Zeitgenossen hatten da mehr Glück: Im Sommer 1898 hatte die „Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen“ mit dem Bau der Schwebebahn über der Wupper begonnen. Rund zweieinhalb Jahre später war alles fertig. Zur ersten Probefahrt schwebten Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin Auguste Viktoria am 24. Oktober 1900 von Döppersberg bis Vohwinkel. Allerdings fuhren auch schlimme Menschen wie Josef Goebbels mit unserer Talbahn, der zu allem Übel auch noch 1925 nach Elberfeld zog, da er Geschäftsführer des Gaues Rheinland Nord wurde. Überwiegend benutzen natürlich fröhliche, ausgeglichene und weltoffene Wuppertaler Frauen, Männer und Kinder die Bahn.

Dazu kommen tausende von Touristen, die gerne Fahrten mit dem Kaiserwagen unternahmen, was allerdings momentan nicht möglich ist. Wie ich gehört habe, soll das neue Betriebssystem mit dem Kaiserwagen nicht harmonieren. Das wäre sehr schade. Mein Gott, war der Kaffee und der Kuchen lecker, der einem während der Fahrt mit dem alten Wagen gereicht wurde. Alles geht leider einmal vorbei. Allerdings sollte der normale Berufsverkehr der Schwebebahn nicht so schnell vorbei sein, dafür muss alles getan werden. Ich plädiere dafür, dass die Wuppertaler Stadtwerke endlich Spezialisten aus der ganzen Welt nach Wuppertal einladen, die sich mit der Problematik der Funk- und Stromstörungen bestens auskennen. Es muss doch irgendwo auf der Welt eine Koryphäe leben, vielleicht ein Inder, der mit einem Blick auf das Problem und innerhalb von wenigen Sekunden den Teufel im Detail entdeckt und entfernt. Wenn unsere Schwebebahnen oft mitten auf der Strecke stehenbleiben, wirft das kein gutes Licht auf Eugen Langes Erbe.

Der Erfinder der Schwebebahn starb übrigens im selben Jahr wie Friedrich Engels. Ich weiß, der Vorschlag kommt jetzt zu spät, aber vielleicht hätte man die neuen Bahnen statt in Spanien besser in China anfertigen lassen. Die Chinesen wären bestimmt sehr stolz gewesen, hätten sie das Wahrzeichen Wuppertals, der Geburtsstadt Friedrich Engels, nachbauen dürfen, zumal das Kopieren von Qualitätsware eine Spezialität des Chinesen ist. Ich glaube, wir hätten auch einen schönen Rabatt bekommen, nicht nur die große Engels-Statue im Garten seines Geburtshauses.

Vor einigen Tagen hatte ich einen Traum, der  mir eine äußerst unheimliche Erklärung für die Probleme der Schwebebahn bot: Im Hinterzimmer einer gutbürgerlichen Speisegaststätte in Barmen trafen sich seit geraumer Zeit täglich radikalisierte und einer westafrikanischen Religion verfallene Mitglieder der Vereine „PRO-Seilbahn“ und „Seilbahnfreies Wuppertal “, die sich verrückter Weise miteinander ein gemeinsames Feindbild konstruiert hatten - die Schwebebahn! Ab 5 Uhr morgens saßen sie mit Kaffee, belegten Brötchen und Nadeln bewaffnet an einem Tisch und stachen ab und zu in eine selbstgenähte Voodoo-Puppe, die einer Schwebebahn verdächtig ähnlich sah. Auf einem Schild stand: „1 X stechen = Betriebsstörung kurz. 2 X stechen = Betriebsstörung lang. 3 X stechen = Schwebebahn fällt runter.“ Dieser Albtraum steckt mir noch heute in den Gliedern.

» Ab dem 7. November gibt es das Buch „Begrabt mein Herz in Wuppertal“ mit 34 von Beckers Kolumnen im Buchhandel. Am Samstag, 16. November, 14 Uhr, präsentiert Becker sein Buch in der Schmuckschmiede Weinert, Marienstraße 82.