Einsatz im Stadtwald: Zwischen Kalk, Holz und Hoffnung

Der Stadtwald am Freudenberg wird derzeit von Hand gekalkt. Im Einsatz sind Hartz IV-Kräfte, die den Knochenjob für den Waldschutz erledigen.

<strong>Wuppertal. Und wieder strafft er sich - der Spanngurt über der Metallschale, in die Vorarbeiter Klaus Otto frischen Kalk schaufelt. Gut 20 Liter sind es vor jedem Fußmarsch durch die dichten Baumreihen. Der Mann auf der anderen Seite der Schale trägt eine Schirmmütze, von der an diesem Morgen dicke Regentropfen auf den Waldboden fallen. Genau hierhin gehört er - der Kalk, der beim Testlauf am Freudenberg von Hand verstreut wird, um den Baumbestand zu stärken.

50 Tonnen Kalk für 220 000 Quadratmeter Wald

Und ein Testlauf ist es im wahrsten Sinne des Wortes: Bis Anfang nächster Woche werden im Stadtwald am Freudenberg etwa 220 000 Quadratmeter Fläche von Hand gekalkt, um die Folgen des sauren Regens abzufangen und das Wurzelwerk der Bäume zu stärken. 50 Tonnen Kalk stehen der Handstreukolonne hierzu zur Verfügung.

Die Männer mit den Spanngurten über der Schulter leben von Hartz IV und erledigen hier draußen einen Job, "den die Stadt alleine niemals leisten könnte", wie Martin Kiefer erklärt. Der Revierförster wirft einen Blick über den Waldweg, auf dem hin und wieder Spaziergänger in Regencapes und mit durchnässten Hunden an der Leine stehen bleiben, um den Einsatz zu beobachten.

"Der Aufwand einer Kalkung vom Hubschrauber aus wäre in diesem Gebiet zu groß", sagt Kiefer. "Daher ist uns das hier eine große Hilfe." Mit Lob spart auch der Vorarbeiter nicht, wenn es um die Männer auf der anderen Seite der Streuschalen geht. "Das hier ist eine Chance, die genutzt wird", sagt Otto, der selbst bei der Stadt angestellt ist und sein Team bei der Sechseinhalb-Stunden-Schicht im Wald anweist.

So wie es aussieht, gibt es in diesem Jahr keine Landeszuschüsse für weitere Kalkflüge in Wuppertal - das Geld fließt nach wie vor in die Beseitigung der gewaltigen Sturmschäden nach "Kyrill", und das aller Voraussicht nach noch einige Jahre. Vor diesem Hintergrund wird der Testlauf am Freudenberg zur Etappe, die umso bedeutender wird, wenn es um die Einsatzkräfte selbst geht: Nach Verbitterung muss man nicht lange suchen.

Wann er seinen Job verloren hat? "Das war vor etwa sieben Jahren", sagt einer der Männer, und schiebt die Schirmmütze über seine Stirn, während seine Streuschale aufgefüllt wird. Auf dem Bau habe er gearbeitet, "bis es in der Firma keine Aufträge mehr gab und ich auf der Straße stand." Natürlich sei der Einsatz im Wald "Knochenarbeit", "aber allemal besser, als einfach nur zu Hause zu sitzen."

Dennoch: Von Sozialromantik, Wahlkampf-Slogans, Stammtischparolen und Talkshow-Floskeln ist man hier draußen weiter entfernt als anderswo. Die Beschwerden von Spaziergängern über Waldwege, in die der Kalktransport-Traktor tiefe Furchen gezogen hat, versinken angesichts mancher Lebensläufe nicht nur im Morast, sondern auch in Bedeutungslosigkeit. Hier geht es um Jobs. Und um Hoffnung.

Schönes Wetter gibt es hier draußen heute nicht. Weitere Fragen erübrigen sich. Und allen wird klar: Den Männern hier draußen ist es ernst. Bitterernst. Zwischen den Bäumen und im Regen suchen sie nicht nur Waldboden, der Kalk braucht, sondern auch nach einer Perspektive.