Europa Else-Schüler gehen zu Fuß von Wuppertal nach Paris

Elberfeld. · Jedes Jahr ein Stück: Eine Klasse wandert über Jahre etappenweise durch Europa.

Die 6G lernt Europa zu Fuß kennen – und damit auch den Luxus freier Reise und offener Grenzen.

Foto: Isabel Auferkorte

„Wir gehen unserem Abschluss entgegen“ – das ist das Motto der Klasse 6G der Else Lasker-Schüler Gesamtschule. Etappenweise wandern die rund 30 Schüler gemeinsam nach Paris. Jedes Jahr laufen sie – innerhalb von einer Woche – um die 80 Kilometer in eine europäische Stadt. Innerhalb von sechs Jahren wollen sie ihr Ziel erreichen.

„Die 6G ist eine besondere Klasse“, so die Klassenlehrerin, Isabel Auferkorte. Aufgrund der überfüllten Integrationsklasse für Flüchtlinge ist sie eine gemischte Klasse. Durch die hohe Anzahl an Schülern, die erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind, mussten einige von ihnen auf den normalen Unterricht ausweichen. Auferkorte erklärt, dass solch eine Situation zu Schwierigkeiten führen könnte. Diese Kinder bräuchten eine intensivere Betreuung, vor allem in Bezug auf sprachliche Barrieren und eine funktionierende Integration.

Von ihren Schülern – vor allem von denjenigen aus Syrien – wurde die Lehrerin oft gefragt, was eigentlich dieses Europa sei. „Ich wollte etwas tun, um den Kinder in der Klasse Europa näherzubringen“, so Auferkorte. Die Kinder sollen Disziplin tanken und am Ende des Tages stolz die Schule verlassen, unabhängig davon, welche schulischen Leistungen sie hervorgebracht haben, führt die Lehrerin fort. „Nicht jeder kann von sich behaupten, schonmal nach Paris gelaufen zu sein.“ Auf der Reise soll auch die Frage nach der europäischen Gemeinschaft geklärt werden.

Die üblichen Klassenausflüge in der sechsten und zehnten Klasse sollten durch ein außergewöhnliches Konzept ersetzt werden: „Innerhalb von sechs Jahren wollten wir mit der gesamten Klasse zu Fuß in eine andere europäische Stadt laufen“, erklärt Auferkorte stolz. Die Entscheidung fiel auf Paris – die Stadt der Liebe, Paname, oder wie man es auch nennen mag.

Die erste Etappe hat
die Klasse schon hinter sich

Nachdem die Schulleitung das Projekt im vergangenen Sommer genehmigte, setzte die Klasse ihre Idee in Taten um. „Wir dachten unsere Lehrer wollen uns veräppeln“, erzählt Diyar (13), einer der Schüler aus der 6G. Doch als das Projekt schließlich konkret wurde, seien alle begeistert gewesen, dass sie eine ganze Woche auf Klassenfahrt fahren können. Gemeinsam mit der Deutschlehrerin Ronya Oulabi sowie dem Co-Klassenlehrer Sergei Berdnikow liefen die 25 Schüler von ihren Schulhof aus über Mettmann, Monheim, und Dormagen nach Rommerskirchen bei Jülich. „Wir waren auch stolz, dass wir die einzigen sind, die so etwas schaffen“, führt Diyar fort. „Übernachtet haben wir auf Campingplätzen, auf einem Biohof und einmal sogar auf einem Campingplatz am Rheinstrand“, so der Schüler. Glücklich erzählt er, dass vor allem die Übernachtung am Rhein eine echte Besonderheit für die Schüler gewesen sei.

Für den Transport von Lebensmitteln, Kochutensilien und der Campingausrüstung hatte die Wandergruppe ein Auto dabei. „Das war unsere erste selbst geplante Klassenfahrt“, so Auferkorte. Zum Teil war das Chaos groß, führt sie fort. Nicht selten musste improvisiert werden: Auf der Strecke von Mettmann nach Monheim mussten einige Schüler bei den letzten fünf Kilometern mit dem Auto mitgenommen werden. „Als die Schüler mit ihren letzten Kräften das Ziel erreicht haben, wurden sie von den anderen feiernd begrüßt“, so die Lehrerin. Stolz seien sie nach der Tour alle gewesen.

Sieben Tage, fünf Stationen, 90 Kilometer – das ist das diesjährige Ziel der Klasse 6G. Am 30. Juni werden die Schüler mit dem Zug nach Jülich fahren, um von dort aus über Alsdorf, Raeren, Voeren und Soumagne bis zum diesjährigen Ziel Chemin d‘Enonck zu wandern. „Das Durchhaltevermögen wird mit dem Erreichen jeder Station aufs Neue gestärkt“, so die Deutschlehrerin Oulabi. Bei dieser Etappe habe es bei den Schülern allerdings ganz andere Sorgen gegeben: Das Erreichen der belgischen Grenze. Auferkorte erklärt, dass viele der geflüchteten Kinder in der Klasse Angst davor haben, die Grenze zu überqueren. Eine berechtigte Sorge für Flüchtlinge, wie sie findet. Denn die Erfahrung, die diese Kinder mit Grenzen gemacht haben, sei eine ganz andere als wir sie kennen. „In einem Video habe ich den Schülern gezeigt, dass die belgische Grenze keine Mauer hat“, so Auferkorte. Die diesjährige Wanderung soll den Schülern vor allem eins zeigen: Europa bedeutet Freiheit.