Elberfeld. Engels-Nachlass wird für weltweite Nutzung digitalisiert

Wuppertal · Die Familienbriefe sollen zum 200. Geburtstag im Internet für jeden einsehbar sein.

Friedrich Engels kommt in den Briefen nur am Rande vor.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Zum 200. Geburtstag des berühmten Revolutionärs wird es eine digitale Version der Familienbriefe geben, die bislang nur im Wuppertaler Stadtarchiv und in einer Buch-Edition einzusehen sind.

Liebe, Krieg, Politik, Hungerprobleme, Geschäfte und Religion. Ein Konvolut aus mehr als 300 Briefen, datiert vom Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts, beschreibt die Lebens- und Leidensgeschichte der Familie Engels. „Es geht um alles, was die Familie so beschäftigte. Um familiäre Liebesgeschichten, Komplikationen des Textilunternehmens, politische Diskurse in der Zeit der napoleonischen Kriege“, erklärt Wolfgang Lukas vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Uni Wuppertal. „Friedrich Engels selbst kommt nur in wenigen Passagen der Briefe zu Wort, beispielsweise als sein Vater auf einer gemeinsamen Reise einen Brief an die Mutter verfasste“, beschreibt der Historiker beispielhaft.

„Diese Fundstücke sind eine archivarische Rarität“, sagt Lukas überzeugt. Sie bieten nicht nur die Möglichkeit, einen Einblick in das Leben der berühmten Familie zu bekommen, sondern spiegeln auch die gesellschaftlichen Probleme der damaligen Zeit wider. „Sie lassen erkennen, was die Menschen beschäftigte und lassen ganz viele Fragen der Zeit ablesen“, fügt Thorsten Dette, Leiter des Stadtarchivs, hinzu.

Ein Spediteur entdeckte
die Briefe zufällig

Ende der 80er Jahre gelangten die Briefe in das Historische Zentrum. Damals seien sie durch Zufall von einem Spediteur entdeckt worden, erklärt Dette. „Und beinahe warf man sie weg“, betont der Archivar.

Dass diese historischen Überlieferungen in Wuppertal sind, ist etwas Besonderes, „denn sie sind die einzigen in Wuppertal niederlegten Funde. Der Rest der Nachlässe befindet sich in Moskau und Amsterdam“, erklärt Lukas. Bereits 1991 verfasste Michael Knieriem, ehemaliger Leiter des Historischen Zentrums, eine Buch-Edition, die die Schriften der Eltern und Großeltern von Friedrich Engels in chronologischer Reihenfolge wiedergibt.

Nun befinden sich die Briefe im Archivzentrum. Seit 2013 werden sie in einem Gemeinschaftsprojekt von der Uni Wuppertal und dem Historischen Zentrum zu einer digitalen, frei zugänglichen Fassung verarbeitet. Lukas arbeitet mit seinem Team aus wissenschaftlichen Mitarbeitern und Masterstudenten der Editions- und Dokumentwissenschaft an dem Projekt. Mittlerweile beteiligt sich auch die Fakultät für Design und Kunst an der Bearbeitung der Briefe.

Auch ein direkter Vergleich mit den Originalen, die ebenfalls in der digitalen Version hinterlegt sein werden, werde möglich sein, berichtet der Historiker. So unterschiedlich die Benutzerinteressen sind, so variabel werden die Filtermöglichkeiten in der Online-Edition sein. Und zu lohnen scheint es sich allemal, „denn beim Lesen wirken die Briefe wie ein kleiner Krimi“, sagt Lukas lachend.