Entnazifizierung begann auf der Wache

Vom Polizeipräsidium aus wurde der zivile Neuaufbau kontrolliert. Auch NS-Prozesse gab es in der Stadt.

Wuppertal. In Wuppertal ist der schwierige Übergang von der Diktatur zur Demokratie besonders mit einem Ort verbunden: dem Polizeipräsidium. Wo noch Ende Februar 1945 eins der brutalsten NS-Verbrechen in der Region, die Ermordung von 30 Zwangsarbeitern durch ein Gestapo- und Kripokommando, seinen Ausgang genommen hatte, wurden wenige Wochen später nun für mehr als ein Jahrzehnt die entscheidenden Weichenstellungen für das Wuppertal der Nachkriegszeit vorgenommen.

Im Juni 1945 hatten britische Soldaten die Amerikaner als Besatzungsmacht in Wuppertal abgelöst und im Polizeipräsidium ihr „Headquarter Military Government“, das Hauptquartier der britischen Militärregierung, eingerichtet. Von dort betrieben und kontrollierten sie den zivilen Neuaufbau der Stadt. Ende 1945 bezogen dann auch die Stadtverwaltung und die (noch) von der Militärregierung bestellten Stadtvertreter ihr Domizil in dem riesigen Gebäudekomplex.

Ab Frühjahr 1946 residierte schließlich auch der städtische Entnazifizierungsausschuss in der einstigen Gestapo-Zentrale. Innerhalb von wenigen Monaten vollzog sich so ein radikaler Funktionswandel dieses Gebäudes. Trotzdem: Jene Wuppertaler, die unter der Verfolgung der Nazis gelitten hatten, betraten dieses Gebäude noch lange nach 1945 nur mit gemischten Gefühlen. Ein zentrales Anliegen der alliierten Besatzungsmacht war aber von Beginn an nicht nur der organisatorische Neuanfang, sondern auch die Verfolgung und Bestrafung von NS-Unrecht, die Entnazifizierung von Polizei und Verwaltung und die demokratische Umerziehung der Bevölkerung. Eine erste Maßnahme: die Einrichtung eines Internierungscamps für NS-Funktionäre und belastete Nationalsozialisten im Polizeipräsidium, das immerhin über 400 Räume und ein „Hausgefängnis“ verfügte.

Vor 70 Jahren:

Stunde Null

Bei der Strafverfolgung von NS-Unrecht unterstand Wuppertal ab Mai 1945 jedoch zunächst ausschließlich der alliierten Militärgerichtsbarkeit. Erst Ende 1945 ermächtigten die Alliierten auch deutsche Gerichte zur Aburteilung von NS-Verbrechern, allerdings nur solchen, die gegen Deutsche und auf deutschem Gebiet verübt worden waren.

Die ersten in alleiniger deutscher Verantwortung geführten NS-Prozesse fanden in Wuppertal ab Frühjahr 1946 vor dem wenige Monate zuvor wiedereröffneten Landgericht statt, so etwa das Verfahren gegen die Wachmannschaft des SA-Lagers Kemna.

Anfang 1947 veröffentlichen Militärregierung und Polizei in der Presse vermehrt Anzeigen, in denen die Wuppertaler Bevölkerung aufgefordert wurde, „zweckdienliche Angaben“ über politische Verbrechen der Geheimen Staatspolizei zu machen.

Eine sinnvolle Maßnahme, denn sie führte zu einer Reihe von Strafverfahren gegen ehemalige Gestapobeamte, u.a. gegen den berüchtigten Exzesstäter Arthur Peters und den früheren „Judensachbearbeiter“ Georg Manfeld.

Das alliierte Militärgericht, der britische „Military Court“, tagte im Westen der Stadt, in den Zoo-Sälen. 1945/1946 gab es dort zahlreiche zum Teil spektakuläre Verfahren gegen NS-Täter, die zumeist wegen der Ermordung oder Misshandlung von britischen Militärangehörigen angeklagt waren. Kaum bekannt ist, dass in Wuppertal zwischen 1945 und 1947 nicht nur hochrangige SS- und Wehrmachtsgeneräle vor Gericht standen, sondern auch Fritz Hartjenstein, der zeitweilige Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Dieser befehligte bis Kriegsende auch das berüchtigte KZ Natzweiler (Elsass).

Er wurde im Juni 1946 zunächst zum Tod verurteilt, dann aber zu lebenslanger Haft verurteilt und später nach Frankreich ausgeliefert.