Campus Wuppertal Wuppertaler Politikwissenschaftler Volker Mittendorf über J. Edgar Hoover, der vor 100 Jahren Chef des FBI wurde

Wuppertal · Er führte Geheimdossiers mit persönlichen Schwächen der Filmstars.

Nach Hoovers Tod wurden zahlreiche Geheimakten vernichtet.

Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dp/Martin Schutt

John Edgar Hoover ist sicherlich vielen Menschen ein Begriff. Lange Zeit war er Direktor des Federal Bureau of Investigation – des FBI. Volker Mittendorf, Politikwissenschaftler an der Bergischen Universität, kennt sich mit Hoovers Werdegang aus.

Wer war John Edgar Hoover?

Volker Mittendorf: John Edgar Hoover war sicher Zeit seines Lebens als Chef des Federal Bureau of Investigation (FBI) einer der mächtigsten Männer der USA. Hoover hat das FBI aus einer eher unbedeutenden, skandalbehafteten Behörde zu einem großen und professionalisierten Unternehmen innerhalb des amerikanischen Staates ausgebaut.

Hoover organisierte 1920 eine der größten Massenverhaftungen in den USA, die sogenannten Palmer-Razzien. Um was ging es da?

Mittendorf: Das muss man in das amerikanische System einordnen. Das Entscheidende ist, dass der Generalstaatsanwalt, eigentlich nicht anders als der Generalbundesanwalt in Deutschland, nur zu Verbrechen ermitteln kann, die quasi den gesamten Staat betreffen. Die Palmer-Razzien 1920 am Ende des Ersten Weltkrieges muss man vor dem Hintergrund der Phase der russischen Revolution und der damit verbundenen Kommunistenangst betrachten. Man hatte Sorge vor imaginierten und tatsächlichen Umsturzversuchen, man hatte Einwanderergruppen im Verdacht, kommunistisch oder linksradikal zu agieren. Und da hat das frühere Bureau of Investigation (BOI), dessen Chef damals noch nicht Hoover war, viele Menschen verhaftet, oft auch ohne Rechtsgrundlage.

Die Vorgängerinstitution des Federal Bureau of Investigation (FBI) hieß Bureau of Investigation (BOI) und hatte einen denkbar schlechten Ruf. Warum?

Mittendorf: Vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass viele Ermittlungsverfahren, aufgrund der Kommunistenfurcht und der Angst vor Landesverrat illegal durchgeführt wurden. Die als notwendig empfundene Professionalisierung funktionierte nicht wirklich, da man damals den Chef einer ehemaligen Detektivagentur eingesetzt hatte. Pinkerton war die eine große Detektivagentur und Burns die andere. William John Burns sollte also das BOI professionalisieren, die Ermittlungsmethoden verbessern. Vor dem Hintergrund, dass der Föderalstaat in den USA zunächst kaum direkte Strafermittlungsbefugnisse – außer zum Beispiel bei Landesverrat und bei Verbrechen der Börsen- und Finanzaufsicht – hatte, lagen die Hoffnungen bei ihm. Doch er geriet in den Strudel zweier Korruptionsskandale und wurde zum Rücktritt gezwungen. Hoover nutzte die Gunst der Stunde und wurde selber zum Chef der Behörde.

Was änderte er nach
seiner Amtsübernahme?

Mittendorf: Er hat es nicht nur verstanden, die Kommunistenfurcht zu bedienen, sondern sich an allen Fragestellungen der Folgen der Industrialisierung orientiert, die immer wichtiger wurden. Die Menschen wurden mobiler und die Verbrechen gingen oft über die Staatsgrenzen hinaus oder fanden in mehreren Staaten statt. Die wurden von Hoover als Bundesangelegenheit wahrgenommen und dann auch in ein Bundesgesetz geschrieben. In den USA sind die einzelnen Staaten selbst zuständig, nicht nur die eigene Polizei aufzustellen, sondern auch die Strafgesetze werden in den einzelnen Staaten (und zusätzlich auf föderaler Ebene) erlassen. Nur wenige Strafgesetze gibt es auf der gesamten Bundesebene. Dazu gehörten der Landesverrat und die staatsübergreifende Kriminalität. Er hat das FBI in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Damit hat sich Hoover relativ schnell einen Namen gemacht, indem er nicht nur die Politik, sondern auch die Öffentlichkeit auf die Seite des FBI gezogen hatte. Das tat er mit der Einführung der zehn Staatsfeinde Nr. 1. John Dillinger (US-amerik. Bankräuber, Anm. d. Red.) gehörte als erster dazu. Es wurde dann sozusagen cool, ein FBI-Agent zu sein. Er engagierte sich auch früh in Hollywood, als erste Kriminalserien fürs Fernsehen entstanden, wo das FBI als die positive Behörde herausgestellt wurde.

Er blieb hochgeachtet bis zu seinem Tod. Helen Gandy, seine persönliche Assistentin, koordinierte nach Hoovers Tod die Zerstörung aller seiner Unterlagen. Warum?

Mittendorf: Hoover besaß Geheimakten, die nach einem persönlichen Schlüssel verschlüsselt waren, den nur er und seine Sekretärin kannten. Das war zu diesem Zeitpunkt auch in den USA schon ungewöhnlich. Es waren vor allem keine Ermittlungsakten, die man wegen Verbrechen angelegt hatte, sondern Dossiers mit persönlichen Schwächen über alle möglichen Personen in Kultur, Medien (vor allem in Hollywood) und Politik. Die sollten auch nach seinem Tod nicht öffentlich bekannt werden. Deshalb hat er dafür gesorgt, dass diese Dossiers nach seinem Tod vernichtet wurden.