Wuppertal Erfolgreiches Startup: Unternehmen aus Trotz gegründet
Nachhilfeschule: Yasemin Sahin hat ein Startup gegründet — so wie es viele andere Migranten in Nordrhein-Westfalen ebenfalls tun.
Wuppertal. Yasemin Sahin (34) ist eine erfolgreiche Frau. Sie leitet die International Education Centers in Wuppertal. 2011 hat sie eine Nachhilfeschule in Wuppertal gegründet und die ist seitdem konstant gewachsen. 2015 ist daraus eine GmbH geworden. Dazwischen hat sie Sprachkurse für Erwachsene ins Programm genommen, ebenso wie Vorbereitungskurse für IHK-Prüfungen. Jetzt sollen Integrationskurse für Flüchtlinge beginnen. Sie beschäftigt heute 270 freiberufliche Lehrkräfte, zwei Teilzeitkräfte, zwei Aushilfen und sogar drei Auszubildende. Ein Startup, das erwachsen geworden ist.
Sahin ist ein Beispiel für eine erfolgreiche Gründerin. Damit ist sie Teil eines nationalen Trends. Der Anteil der Migranten bei den Gründungen von Unternehmen steigt. Laut dem Gründerreport der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) ist der Anteil der Migranten unter den Gründern seit 2007 um fünf Prozent gewachsen, auf zuletzt 19 Prozent, also ein Fünftel der Gründer.
Migranten bleiben damit in der Minderheit, aber ihre Zahl steigt. Das sieht auch Christine Volkmann, Professorin für Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung an der Universität Wuppertal so. „Wir hatten gerade erst eine Gründer-Veranstaltung, an der viele Studenten mit türkischen Wurzeln teilgenommen haben. Studenten, die hochmotiviert sind, zu gründen“, sagt sie.
Den Grund für diese Motivation könnte laut Volkmann in der möglichen Benachteiligung liegen: „Menschen mit Migrationshintergrund haben es vielfach schwerer, eine abhängige Beschäftigung zu finden.“ Gründen als eine Art Trotzreaktion.
Bei Sahin war das ähnlich, wenn auch nicht aus Existenznot. Sie kam mit 14 Jahren nach Deutschland, floh mit ihren Eltern aus dem Osten der Türkei, und konnte kein Wort Deutsch. Sie ging auf die Hauptschule und arbeitete sich hoch: Abitur, Studium der Wirtschaftsmathematik, öffentlicher Dienst. Sie fing bei einer Bank an, sah aber wenig Aufstiegsmöglichkeiten für sich. „Ich sollte nur in der Filiale stehen, weil ich Türkisch kann. In die Fachabteilung wäre ich nicht gekommen.“ So entschied sie sich für die Selbstständigkeit.
Auch Martin Hebler bestätigt den Trend. Er leitet das Wuppertaler Technologiezentrum W-Tec, wo auch Sahin ihre Schule führt. Migration sei kein Kriterium, das bei Gründungsberatungen erfasst werde, sagt er. Aber der Anteil sei schon hoch in Wuppertal.
Hebler ist seit 2003 mit dem Zentrum aktiv, vorher hat er Gründer an der Bergischen Universität beraten. In den W-Tec-Räumen in Wuppertal beheimatet er 250 neugegründete Unternehmen. Er kennt die Gründerszene.
Hebler sagt, viele Migranten, die Unternehmen gründen, seien weniger vorsichtig, weniger zurückhaltend als Deutsche. „Wobei man das in der zweiten oder dritten Generation gar nicht mehr so trennen kann.“ Auch Sahin sieht Unterschiede im Verhalten. Migranten seien mutiger. „Gerade die, die nicht in Deutschland geboren wurden. Die kennen noch die Straßenhändler oder inhabergeführten Geschäfte — wie ich aus der Türkei.“ Selbstständigkeit sei für diese Gruppe normaler.
Der Mut zur Gründung ist vielleicht ebenso nötig. Denn in Deutschland sinkt das Interesse an Startup-Gründungen. Das sagt der DIHK in Berlin. Laut dessen Gründerreport 2015 gab es zum dritten Mal in Folge einen Negativrekord bei den Gründungsgesprächen.
Die Einschätzung unterscheidet sich aber von der in Nordrhein-Westfalen. Laut den jüngsten Zahlen des Wirtschaftsministeriums NRW gab es 2014 in NRW mehr Neugründungen (+2,1 Prozent) als im Bundesdurchschnitt (-2,3 Prozent). In Zahlen waren das 17 200 wirtschaftlich bedeutende Neugründungen.
Ein Plus, das vielleicht auch mit dem Mut der Migranten zu tun hat — mit Menschen wie Yasemin Sahin.