Wuppertal Erinnerungen an eine Villa

Eine ehemalige Bewohnerin berichtet vom Leben rund um die Villa Schniewind und im Park nach dem Krieg.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Sie war ein prachtvolles Zeugnis der Gründerzeit — die Schniewindsche Villa, die 1892 unter der Adresse Deweerthstraße 65-67 erbaut wurde. Rundherum entstand ein großzügiger Park, der heute öffentlich zugängig ist. Park und Villa sind ein Stück Elberfelder und Wuppertaler Geschichte. Eine wechselvolle, denkt man allein an die vielfältige Nutzung des repräsentativen Baus.

Der Schniewind-Sohn Ewald hatte das Gelände mit seinen diversen Bauten und dem Park von seiner Mutter Elisabeth geerbt. Nachdem er in die Vereinigten Staaten gezogen war, enteigneten die Nazis den Bau als ausländischen Besitz.

Die beschlagnahmte Villa wurde für die Hitlerjugend, die Jungmädel und den BDM, den Bund deutscher Mädel, genutzt. Während des Bombardements 1943 wurde das Haus zerstört, brannte fast völlig aus, aber die Grundmauern blieben bestehen.

WZ-Leserin Ulrike Keller, geboren 1940 als Ulrike Peppler, erinnert sich: „Notdürftig wurde das Haus mit seinen Nebengebäuden 1945 wieder halbwegs bewohnbar gemacht.“ Sie verbrachte ihre Kindheit und einen großen Teil ihrer Jugend dort, weil ihre Familie ausgebombt war. Kürzlich las sie in der WZ über das Gelände, das als Park des Monats präsentiert wurde.

„Wir wohnten im ehemaligen Gesindehaus und hatten zu drei Personen so um die 40 Quadratmeter zur Verfügung“, erzählt sie. Sie kann sich an vieles noch lebhaft erinnern. „Wir hatten es relativ komfortabel, denn es gab auch Großfamilien, die zu zwölf Personen auf zweieinhalb Zimmern hocken mussten und Toilette und einen Spülstein nur auf dem Flur zur Verfügung hatten.“

Doch trotz der drangvollen Enge, in der rund 60 Personen im Gebäudekomplex untergebracht waren, gab es nur wenig Reibereien. „Wir waren doch alle froh, dass wir nach dem Krieg wieder ein Dach über dem Kopf hatten und keine Angst mehr vor Bombenangriffen haben mussten.“ Und außerdem war da ja noch der Park mit seinen Grotten, die möglicherweise einmal romantischen Zwecken gedient haben könnten. „Weil die Grotten auch etwas feucht waren, gab es dort eine Menge Blindschleichen. Die haben wir dann gefangen“, berichtet Ulrike Keller aus ihrer Kindheit.

„Es war ein Kommen und Gehen, und nach 1950 kamen viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene und fanden dort zeitweise Unterschlupf.“ Erst 1961 konnten die Familie das ehemalige Gesindehaus der Schniewinds verlassen und in die Saarbrücker Straße unterhalb der Barmer Anlagen ziehen.

„Die Schniewinds haben wir nie kennengelernt, wissen aber, dass sie bei allem Luxus, den sie sich als Fabrikanten leisten konnten, ein großes soziales Engagement an den Tag gelegt haben“, so Ulrike Keller, die leider nicht mehr über Foto-Dokumente aus ihrer Zeit am Ostersbaum verfügt. „Ich habe das Haus auch gezeichnet, aber auch meine Skizzenmappe ist im Laufe der Umzüge verloren gegangen.“

So kann die muntere alte Dame nur in den verbliebenen Berichten nachlesen, dass die Schniewinds neben dem Gesindehaus ein Kutscherhaus, eine Remise für die Fahrzeuge, einen Tennisplatz und sogar eine offene Turnhalle unterhalten haben. Von den gläubigen Schniewinds ist überliefert, dass sie sich als wohlhabende Fabrikanten zur Wohltätigkeit verpflichtet fühlten.

Julius Schniewind war Kirchmeister der evangelisch-lutherischen Gemeinde Elberfeld, Synodar und Handelsrichter am Landgericht Elberfeld. Seine Ehefrau Elisabeth engagierte sich nach dem Motto „Bewahren ist besser als retten“ unter anderem für junge Textilarbeiterinnen und war langjährige Vorsitzende im „Verein der Freundinnen junger Mädchen“. Sie war auch zeitweilig Vorsitzende im Elberfelder Frauenverein und forderte hier die Einrichtung der ersten Kinderkrippen.

Durch eine Schenkung trug sie wesentlich zum Bau des Gemeindehauses am Engelnberg bei, der heutigen Thomaskirche. 1919 wurde sie die erste Presbyterin der Evangelisch-lutherischen Gemeinde Elberfeld.

Die Schniewindsche Villa ist längst einem Mehrfamilienhaus gewichen, und im Park erinnern nur noch Infotafeln an Zeiten, als die reichen Städte Elberfeld und Barmen dank ihrer blühenden Textilindustrie eher mitleidige Blicke in Richtung Düsseldorf schicken konnten.