Alice Schwarzer und Wuppertal Erinnerungen an Heiligabend in der Heimat

Alice Schwarzer hat für das Straßenmagazin „Die Straße“ aufgeschrieben, was sie mit ihrer Heimat in der Weihnachtszeit verbindet.

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Wuppertal. Weihnachten in Wuppertal. Von meinem sechsten bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich in einem Holzhäuschen am Rand vom Burgholz gelebt. Mit Blick über die ganze Stadt. Und auf den leuchtenden Stern auf dem Elberfelder Rathaus. Bei meinen Großeltern, bei denen ich aufgewachsen bin. Mein Großvater war ein sanfter und lustiger Mensch, meine Großmutter anstrengend und interessant.

Letzteres kam Weihnachten rituell zum Tragen. Nicht zuletzt wohl wegen ihrer eigenen gemischten Gefühle, ihren Kindheitserinnerungen an das Fest in dem bürgerlichen, aber gefühlsarmen Elternhaus am Neuenteich. Mama, wie ich sie nannte, hatte dann immer was zu meckern. Vor allem mit meinem „Papa“.

Mein Weihnachten

in Wuppertal

Der Klassiker war der Weihnachtsbaum. Er holte den, warum auch immer — vielleicht, weil er dann billiger war? — erst im letzten Augenblick. Und immer war der Baum schief, zu dürr oder die Spitze war kahl. Zumindest in den Augen meiner Großmutter. Und immer gab es deswegen Szenen.

Einmal kehrte mein Großvater von der Ravensberger Straße über die Himmelstreppe mit leeren Händen zurück. Es war kein einziger Baum mehr da gewesen. Da zogen wir zwei los, mein Papa und ich, ins Burgholz und mopsten einen Baum. Das war das erste mal, dass meine Großmutter nicht gemeckert hat über den Baum. Es war wirklich eine wahre Pracht.

Was mir davon geblieben ist? Mein Weihnachtsbaum ist heute (fast) immer gerade, dicht bewachsen und hat eine angemessene Spitze. Geschmückt wird er, klar, in nostalgischer Erinnerung ganz wie früher: mit großen roten Kugeln und Bienenwachskerzen, aber ohne Lametta. Und neu ist auch der Christbaumschmuck aus Tirol, Bayern oder Mexiko. Unter dem Baum sitzt meine Katze. Auch wie früher. Nur dass damals, in Wuppertal, drei Katzen um den Baum schlichen. Man ahnt, was das für die Kugeln und Kerzen bedeuten konnte. . .

Ja, ich genieße heute also die weihnachtliche Ruhe und Besinnlichkeit. Was wohl meine Großeltern zu meinem Baum sagen würden? Sie sind beide 1971 gestorben. Leider.