Politik Es grünt so grün in Wuppertal mit Robert Habeck

Der Grünen-Politiker erobert im Barmer Bahnhof die Herzen seiner Parteifreunde und erntet Beifall von der politischen Opposition.

Robert Habeck

Foto: Fischer, Andreas H503840

Auch in Wuppertal gehört es zum guten Ton, sich auf Empfängen des politischen Mitbewerbers sehen zu lassen. Am Freitag allerdings hätte es vermutlich keiner Einladung bedurft. Denn die Grünen hatten im Barmer Bahnhof Robert Habeck als Gaststar aufgeboten. Und wenn der zurzeit beliebteste Politiker Deutschlands sowie Vorsitzende der beliebtesten Partei im Lande sein Erscheinen ankündigt, lassen sich auch in der einst roten-schwarzen Stadt SPD, CDU, FDP und Linke nicht zweimal bitten.

Die wichtigen Parteien im Stadtrat waren namhaft vertreten. Und sie erlebten eine Lehrstunde. Denn Habeck (49) machte kein Geheimnis aus dem aktuellen Erfolg der Grünen. Er würdigte die Arbeit der CDU und der SPD im Bund in den vergangenen 70 Jahren, machte aber ebenso unmissverständlich klar, dass das Volk im vergangenen Jahr eine andere Epoche eingeläutet hat. Politik von oben für das Volk war gestern, heute ist Politik mit dem Volk und für das Volk. „Wer führen will, muss dienen können“, sagte der Grünen-Vorsitzende. „Und wer entscheiden will, muss zuhören können.“ Demnach darf Politik sich nicht statisch an Generationen ausrichten, sondern muss die Großmutter ebenso im Blick haben wie den tätowierten Partygänger. „Und wir laufen in eine Falle, wenn wir glauben, dass nur junge Politiker Politik für junge Leute machen können.“

Habeck verhehlte keinen Augenblick, dass die Grünen es längst nicht nur aus eigener Stärke zur derzeit beliebtesten Partei in Deutschland gebracht haben. Zu diesem Status habe die Zivilcourage der Bürger beigetragen, die sich gegen die Verrohung der Politik durch aufkeimenden Rassismus wenden und die in der Fridays for Future-Bewegung für den Klimaschutz auf die Straße gehen.

Habeck wirkte im Barmer Bahnhof wie ein Lieblingslehrer

Dass Umwelt und Klimaschutz seit jeher Kernprogramm von Bündnis ’90/Die Grünen ist, spielt der Partei nun so sehr in die Karten, dass sie beispielsweise in Wuppertal bei der Europawahl die CDU und noch deutlicher die SPD hinter sich lassen konnte. Inzwischen wünscht sich nach neuesten Umfragen jeder zweite Deutsche einen grünen Kanzlerkandidaten.

Der Erfolg der Grünen ist also offensichtlich auch das Ergebnis einer sehr glücklichen Personalauswahl. Robert Habeck und Annalena Baerbock sind Politiker, denen die Herzen nicht nur der Jugend zufliegen. Dass eine Million CDU-Wähler bei der Europawahl ihr Kreuzchen bei den Grünen gemacht haben, ist auch der Ausstrahlung und dem Auftreten des Duos zu verdanken.

Habeck beispielsweise wirkte im Barmer Bahnhof wie der Lieblingslehrer auf einer Gesamtschule, seinem Erdkundeunterricht folgten alle Zuhörer ebenso einsichtig wie begeistert. In den Ausführungen des Mannes aus Flensburg ist letztlich alles eine Frage der Vernunft. Selbstverständlich muss das Klima geschützt werden, natürlich braucht auch Deutschland eine Verkehrswende, und es ist doch nur eine Frage von Gerechtigkeit, dass Apple, Amazon und Co. die Milliardengewinne, die sie in Deutschland machen, auch in Deutschland versteuern. Und: „Die Frage ist eigentlich gar nicht, ob wir das letzte Kohlekraftwerk 2038 oder 2030 abschalten, die Frage ist, wann wir das erste abschalten.“

Für Claudia Schmidt war das Wiedersehen mit Habeck am Freitagabend ein Besonderes. Als es vor anderthalb Jahren darum ging, in der Bundespartei zugunsten des damaligen Vize-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein die Trennung von Amt und Mandat zu lockern, hatte Wuppertals Grünen-Chefin die Gegenrede gehalten und darin von Erpressung gesprochen. Die Mehrheit stimmte sich schließlich dafür, Habeck trotz des politischen Amtes als Umweltminister zum Vorsitzenden zu wählen. Bei Claudia Schmidt sind anscheinend keine Wunden zurückgeblieben. Erfolg kann Balsam sein. Der Aufschwung der Grünen wirkt schließlich auch in Wuppertal.