Soziales Familienarmut in Wuppertal – Probleme, Hürden und Lösungsansätze

Wuppertal · Die Wuppertaler Grünen sprechen mit Akteuren aus dem sozialen Bereich.

Die Grünen sprachen mit Akteuren aus dem sozialen Bereich.

Foto: Otto Krschak

Um sich dem Thema Familienarmut zu widmen und die Auswirkungen zu beleuchten, sollten im besten Fall diejenigen befragt werden, die in ihrem Berufsalltag konkret damit konfrontiert sind. Der Kreisverband der Grünen in Wuppertal lud daher jetzt zu einem Podiumsgespräch in die „Grüne Ecke“ – das grüne Stadtteilzentrum in Heckinghausen – ein. Als sozialpolitischer Vertreter nahm Marcel Gabriel-Simon von der Grünen-Ratsfraktion teil. Mit ihm ins Gespräch gingen Jana-Sophia Ihle, Geschäftsführerin der Einrichtung „Alte Feuerwache“, Zülfü Polat, Geschäftsführer der Wuppertaler Tafel, und Silvio Geßner. Letzterer war vormals der didaktische Leiter an der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule und ist aktuell Schulleiter der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule in Sprockhövel. Als Moderatorin leitete Franziska Truse, Kreisverbandssprecherin der Grünen, durch den Abend.

Welche Definition von Armut liegt der statistischen Betrachtung eigentlich zugrunde? Janina Smits, Beisitzerin im Kreisvorstand der Grünen, führte in das Thema mit einem interaktiven Quiz ein. Zur Bemessung von Armut wird neben der konkreten Höhe des monatlichen Einkommens auch ein Katalog von Kriterien herangezogen, die sich auf soziale und materielle Entbehrung beziehen. Diese veranschaulichen konkrete Auswirkungen von Armut auf den Alltag der Menschen. Vor dem Hintergrund der Entbehrungen, mit denen Betroffene sich konfrontiert sehen, wird die Relevanz des Themas Familienarmut, besonders in Nordrhein-Westfalen, klar durch die präsentierten Zahlen. Denn in NRW sind 45,7 Prozent der Haushalte von Alleinerziehenden laut des statistischen Landesamtes von Armut gefährdet.

Das anschließende Gespräch beleuchtete die Auswirkungen auf Familien, wie sie die Teilnehmer aus ihrer beruflichen Perspektive beobachten. In der Runde herrschte Einigkeit darüber, dass die Probleme komplexer und auch schlimmer werden. Neben fehlender sozialer Teilhabe und Bildungsbenachteiligung, kamen Polat und Ihle auch auf gesundheitliche Folgen zu sprechen. „Sogar eine kürzere Lebenserwartung messen wir mittlerweile bei Menschen, die in Armut leben“, so Ihle. Sie beobachte auch in den Gesprächen mit Familien, dass das Problem von Generation zu Generation weitergegeben wird. „Wir sprechen von transgenerationaler Vererbung von Armut“, erklärte sie. Es gelinge bislang nicht, diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Mehr Mittel, bessere Strukturen und mehr Aufmerksamkeit

Genau das macht die Arbeit von Einrichtungen wie der Alten Feuerwache oder der Wuppertaler Tafel so unabdingbar. Denn diese helfen dabei, die Folgen, die diese Vererbung nach sich zieht, aufzufangen. „Die Menschen kommen zu uns, wenn es fast schon zu spät ist, und klopfen an unsere Tür und sagen: ‚Ich habe Hunger, ich brauche Hilfe‘“, erläuterte Polat die Rolle der Tafel. Hier gehe es vor allem darum, Symptome zu lindern. Geßner sieht Schule grundsätzlich als Ort, der Armut verringern kann. Es seien aber etliche strukturelle Probleme, die dem im Wege stünden, wie fehlende Ressourcen und wenig Flexibilität. Und das wiederum liege oft in fehlenden finanziellen Mitteln und der mangelnden politischen Lobby begründet. Ein Punkt, den eigentlich alle Teilnehmer ansprachen. „Das ist, finde ich, ein politisches Versäumnis, denn das sind Stellen mit Expertise, die wichtige Arbeit leisten und wirkungsvolle Mechanismen identifiziert haben, um diesen Vererbungsmustern entgegenzuwirken“, brachte Ihle es auf den Punkt.

Konkret auf Wuppertal bezogen nahm auch Gabriel-Simon auf die fehlende Lobby in der Sozialpolitik Bezug, gerade wenn es um die Verteilung des Haushaltes gehe. „Wir können nicht einfach so weitermachen, weil dann sitzen wir in fünf oder zehn Jahren weiterhin hier, und dann rödeln viele engagierte Leute, wie sie hier sitzen, weiterhin ganz toll, aber es hat sich strukturell ja nichts getan“, schloss er seine Ausführung dazu ab.

Mehr Mittel, bessere Strukturen und mehr Aufmerksamkeit: alles entscheidende Faktoren, um Familienarmut zu bekämpfen und den Bildungs- und Sozialeinrichtungen zu ermöglichen, ihre Wirksamkeit voll zu entfalten. Denn in den vorhandenen Einrichtungen liegt schon sehr viel Potenzial.