Brisante Zahlen Altersarmut in Wuppertal: Fast 4200 Senioren erhalten Grundsicherung
Wuppertal · Für Sozialdezernent Kühn ist das Thema Altersarmut aktueller und brisanter denn je. Die Zahl der Betroffenen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Eine Lösung: die Grundrente.
Altersarmut: Ein Wort, das Angst macht und niemanden kalt lässt. Wie ist das, wenn man sich im Alter nur das Nötigste leisten kann und jeden Cent umdrehen muss? Was mache ich, wenn es mir später passiert und ich betroffen bin?
Laut Statistischem Bundesamt ist fast jede sechste Person in Deutschland über 65 Jahren von Altersarmut bedroht, unter den Frauen ist es jede fünfte. In keiner Gruppe hat die Armut seit 2005 so stark zugenommen. Und gleichzeitig ist es für jeden Dritten die größte Sorge, im Ruhestand zu verarmen.
Schaut man in den Sozial- und Armutsbericht der Stadt Wuppertal aus dem Jahr 2013 finden sich dort folgende Zahlen: 3074 Menschen bezogen 2011 die Grundsicherung, das heißt, ihre Rente wurde durch staatliche Leistungen aufgestockt. 85 Prozent waren im Alter von 65 bis 80 Jahren, der Frauenanteil lag bei 59 Prozent.
2017 sehen die Zahlen ganz anders aus. Sie sind deutlich gestiegen. Am 31. Dezember 2017 bezogen insgesamt 4168 der über 65-Jährigen in Wuppertal Leistungen der Grundsicherung im Alter, davon 2370 Frauen. Das sind insgesamt 5,6 Prozent aller über 65-Jährigen. Die „höchste Anzahl an Leistungsbeziehern“ fand sich 2017 wie im Jahr 2011 in Elberfeld (1078 Personen), gefolgt von Barmen (837 Personen) und Oberbarmen (635 Personen).
Der Anteil der Grundsicherungsempfänger an der Altenbevölkerung (65 Jahre und älter) stieg in den Stadtbezirken zwischen 0,2 Prozentpunkten (Cronenberg) und 2,3 Prozent-Punkten (Elberfeld) unterschiedlich stark an.
Fehlende Betriebsrente
kann ein Grund sein
Wie sieht es aktuell aus? Ein Blick in den November zeigt: Fast 7000 Menschen, genau 6715, beziehen eine Grundsicherung. Dabei handelt es sich um finanzielle Unterstützung aufgrund von Erwerbsminderung und Alter zusammengenommen. Davon sind rund 4200 Senioren. Das teilte das Sozialamt unserer Redaktion mit.
Für Sozialdezernent Stefan Kühn ist das Problem Altersarmut aktueller denn je und alarmierend. Vor allem Quartiere mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit seien auch überdurchschnittlich von Altersarmut betroffen. „Die Zahl der Menschen, die Grundsicherung bekommen, ist kontinuierlich gestiegen und sie wird weiter deutlich steigen“. Fehlende Betriebsrente, „gebrochene Biographien“ mit längeren Phasen ohne Arbeit seien unter anderem als Gründe hierfür zu nennen.
Dass das Problem der Altersarmut wächst, sieht auch Gisela Deller, Leiterin der Schuldnerberatung bei der Diakonie. „Knapp zehn Prozent der Menschen, die zu uns kommen, sind über 60 Jahre alt. 2015 waren es noch sieben Prozent.“ Häufig kämen gerade alte Menschen erst, wenn es fast schon zu spät sei. Ein Hauptgrund: Scham.
„Die Erwerbsarmut von heute ist die Altersarmut von morgen“, mahnt Stefan Kühn. Es gelte auf kommunaler Ebene entgegenzusteuern und die Kernthemen auf Bundesebene zu steuern. „Der Respekt vor der Lebensleistung eines Menschen muss im Vordergrund stehen“, fordert Sozialdezernent Kühn.
Klar Stellung bezieht auch der Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD) und fordert eine Grundrente: „Menschen, die ein Leben lang gearbeitet, Kinder großgezogen oder Angehörige gepflegt haben, dürfen im Alter nicht in die Bedürftigkeit rutschen. Sie müssen für ihre langjährige Arbeit mehr bekommen als die Grundsicherung.“ Die Grundrente sei ein wichtiger Schritt, um Altersarmut zu bekämpfen. Sie sei ein wesentlicher Schritt, den Stellenwert von Arbeit und die Würde der Betroffenen zu wahren. Die Grundrente sei kein „staatliches Almosen“, sondern ein „gesellschaftlicher Kraftakt“, den man drei bis vier Millionen Menschen schuldig sei.