Freie Kultur Wuppertal Ferien for Future: Der Sommer ist die Zeit des freien Lernens

Wuppertal · Der Knall mancher Rakete im Leistungsfeuerwerk lässt sich nicht vermeiden. Die nächsten Wochen sind Hochbetrieb für junge Geister.

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Foto: Freie Kultur Wuppertal

Spannende Tage: Die Noten stehen fest, die Zeugnisdateien sind gespeichert und der Knall mancher Rakete im Leistungsfeuerwerk lässt sich nur noch erwarten, aber nicht mehr vermeiden. Während der Countdown der letzten Tage vor den Ferien herunterrattert, gilt es, innerfamiliäre Strategien zur Krisenvermeidung umzusetzen und Begründungen fürs Versagen und Enttäuschen zu finden oder zu erfinden. Manche Eltern fallen in Duldungsstarre, krosen in den Flugtickets und streiten über Sonnenschutzfaktoren, um das Abweichen von der Norm durch Selbstbelohnung zu überspielen. Für viele Wuppertaler bedeuten die Sommerwochen aber auch ein Aussitzen von Verzweiflung, eine stille Bestätigung der Ausgrenzung von Bildung und sozialem Leben, ein ratloses Herbeiwarten von Wurstbräunungsgraden bei der Grillparty zur großen Langeweile.

Viele Menschen können sich keine Reisen leisten: Dies wird jährlich als Top-Nachricht gesendet, dabei war es schon immer so. Überbordend gestiegen ist nur der soziale Druck, Flieger und fette Schiffe besteigen zu müssen, um sich das „normale“ Leben zu beweisen – und sei es nur ein letztes Mal vor dem Klima-GAU. Und umso tiefer fallen dann diejenigen, für die das Nichtreisenkönnen normal sein muss, durch den Rost in die soziale Glut.

Einst galt das Reisen als Bildungschance. Aber wer nimmt heute noch Dantes „Göttliche Komödie“ mit an den Strand? Im Gepäck ist meist nur dickleibiges Wortwasser zum Wegschlürfen zwischen den Badegängen. Dafür müsste man das Papier eigentlich nicht um die Welt schaukeln. Das Dableiben bietet dagegen die echten Chancen: Auch wir hatten kein Geld zum Verreisen, und doch waren meine Ferien stets randvoll mit eigenen Bildungsaufträgen: den Weltatlas lesen, Radfahren lernen, Sperrmüll-Autos bauen, Wände mit Aktualitäten besprühen, vertiefende Forschungen zum Knutschen im Uferdickicht und vieles mehr. Das Dableiben bietet viel mehr Kultur als jede Fernreise. Nur dass man von manch Erlebtem nachher nicht erzählen sollte …

Auch vielen freien Künstlern liegen große Sprünge fern: Manche haben in den Schulferien besonders viel Arbeit, zum Beispiel mit dem Jugend-Kult-Programm der städtischen Kulturellen Jugendbildung, mit Kursen der Junior-Uni, von Gemeinden, Quartiervereinen und anderen Veranstaltern. Das Angebot an Kunst, Handwerk und Wissenschaft, an tiefem Sinn und fruchtbarem Unsinn ist reichhaltig, dringend notwendig und zugleich oft nicht angemessen wahrgenommen. Es bringt nicht nur spannende Lebensbildung für die Teilnehmenden, sondern entspannt auch die Eltern vom Langeweile-Generve. Vor allem dieser tauben Ferienzeit lässt sich gut ablesen, was freie Künstler – denen oft nachgesagt wird, sie hätten ja immer irgendwie Ferien – für die Gesellschaft und Bildung tun, oftmals strikt unterbezahlt und doch stets engagiert. Die Verbindung von freier Kultur und schulischem Lehrplan ist viel zu schwach, die der freien Künstler und der schulfreien Zeit ist stark und wirkungsvoll, aber vom Strand aus kaum zu sehen.