Wuppertal Festnahme von Wuppertaler Jobcenter-Chef: Kritik an "unglaublich aggressivem" Auftreten der Polizei
Der Einsatz der Beamten bei der Demonstration am Samstag wird weiter scharf kritisiert. Gewerkschafter sieht „Paradigmenwechsel“.
Wuppertal. Die Polizei wertet den Einsatz am Samstag, bei dem zwei Demonstranten festgenommen worden sind, als normales Vorgehen. „Wir stehen zu unseren Maßnahmen. Das wäre auf jeder anderen Veranstaltung auch so passiert“, sagt ein Sprecher der Wuppertaler Polizei.
Hintergrund ist die Demonstration der Partei „Die Rechte“ am Samstag und die Gegendemonstration des Bündnisses „Kein Naziaufmarsch in Wuppertal — Ölbergfest statt Nazidemo“. Der Polizei wird aggressives Verhalten vorgeworfen — verdeutlicht am Beispiel des Vorstandsvorsitzenden des Wuppertaler Jobcenters, Thomas Lenz. Dieser ist von der Polizei in Gewahrsam genommen worden.
Im Internet kursiert ein Video, das mutmaßlich die entsprechende Aktion der Polizei zeigt. Der Landtagsabgeordnete Andreas Bialas (SPD) hatte es auf Facebook geteilt — und dafür ebenfalls Kritik einstecken müssen.
Die Polizei sagt zur Festnahme von Lenz nichts. Aber beide Ingewahrsamnahmen seien nach einem Platzverweis erfolgt und somit zulässig und „nicht ungewöhnlich“, so die Polizei. Lenz will sich nicht äußern, da er gerade eine Anzeige vorbereitet. Er habe 50 Zeugen und Videomaterial gesammelt. „Das lässt sich wunderbar objektivieren“, sagt er, ohne weiter seine Erlebnisse zu schildern.
Auch der Gewerkschafter Daniel Kolle aus dem Vorstand der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz, der sich Samstag spontan als Versammlungsleiter zur Verfügung stellte, will rechtliche Schritte prüfen lassen. Grund für ihn, rechtliche Schritte einzuleiten, wäre das mögliche Filmen der Gegendemonstranten durch die Polizei. Online kursiert ein Bild, das Polizisten am Berliner Platz mit Kamera zeigt. Das Filmen sei, wenn es ohne Grund geschehe, rechtswidrig, weil es die „innere Freiheit“ der Demonstranten einschränkt, sie also möglicherweise davon abhält, sich frei auf einer Demonstration zu bewegen und zu verhalten. Kolle sagt, er sammele dazu Erkenntnisse. Auch die Polizei bestätigt auf Nachfrage, dass sie das intern prüft. „Die Problematik ist uns bewusst“, so der Polizeisprecher.
Kolle kritisiert die Polizei aber auch generell. Während sie am Berliner Platz noch friedlich und respektvoll agiert habe, sei sie im Verlauf der Demo „extrem unentspannt“ und „unglaublich aggressiv“ aufgetreten. „Die haben sich nicht so benommen, wie ich die Polizei sonst kenne“, sagt Kolle und spricht von einem „Paradigmenwechsel“ gegenüber den politisch Linken in der Stadt.
Befeuert wird dieser Eindruck durch ein mittlerweile zurückgezogenes Schreiben der Polizeibehörde. Darin wird auf die Anfrage nach der Route der Demo geantwortet, dass diese nicht herausgegeben werden könnte, weil diese Informationen den „Gegendemonstranten aus dem bürgerlichen und linken/antifaschistischen Spektrum [...] ein geplantes und koordiniertes (gewaltbereites) Vorgehen erst ermöglichen“. Die Anfrage habe den Charakter einer „vorbereitenden paramilitärischen taktischen Lagesondierung“. Das Schreiben wurde von Polizeipräsident Markus Röhrl als „Bürofehler“ bezeichnet und zurückgezogen.
Andreas Bialas, selbst Polizist, sieht das aber als Vorverurteilung der Demonstranten. „Wenn ich für Demokratie auf die Straße gehe, lasse ich mich ungern kriminalisieren“, sagt er. Für ihn werfen das Schreiben, das Verhalten und der Entwurf für ein neues Polizeigesetz im Landtag zusammen die Frage auf: „Wohin entwickeln wir uns?“
Kolle sieht einen „heißen Tanz“ kommen, wenn die Polizei so auf Eskalation setze, statt wie bisher ruhig agiere. Die Polizei streitet einen „Paradigmenwechsel“ ab. Sie setze sich für die verfassungsmäßige Ordnung ein und setze sie durch.