Meinung Rechten-Demo: Alarmsignale für die Gesellschaft aus Wuppertal
Wuppertal. Die Bilder aus Wuppertal sind ein Alarmsignal. Und sie beschreiben den Zustand einer Gesellschaft, die sich windet, Antworten auf Migrationsfragen zu finden, und die gleichzeitig versuchen muss, den braunen Geist wieder in die Flasche zu sperren.
Was die eigentlich sehr tolerante, weltoffene und multikulturelle Stadt im Bergischen Land am Wochenende erlebt hat, ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die von Nazi-Ideologen gezielt vorangetrieben wird.
Dass sich heute in Deutschland eine zunehmende Zahl von Bürgern nicht mehr schämt, die Diktatur der Nationalsozialisten, ihren perfiden, industriell betriebenen Massenmord zu relativieren, ist nicht zuletzt Politikern wie Alexander Gauland (AfD) zu verdanken. Sein Vergleich der Naziherrschaft mit einem „Vogelschiss der Geschichte“ ist Wasser auf die Mühlen jener, die am Samstag mit schwarz-weiß-roten Fahnen durch Wuppertal zogen. Für Demokraten, für weltoffene, tolerante und hilfsbereite Bürger war das ein unterträglicher Anblick.
Umso schädlicher ist, dass ausgerechnet der Leiter des Wuppertaler Jobcenters wegen vermeintlichen Widerstandes gegen die Staatsgewalt festgenommen und abgeführt worden ist. Damit erweckte die Polizei den Eindruck, die Rechten zu schützen und gleichzeitig bei den Gegendemonstranten sehr kurz angebunden zu reagieren. Das ist in diesem Fall umso misslicher, als der stadtbekannte Leiter des Jobcenters als besonnener, über Parteigrenzen hinweg hoch angesehener und erfolgreicher Behördenleiter gilt.
Dieses mutmaßliche Fehlverhalten von vier Polizisten darf dennoch nicht dazu führen, dass ein Landtagsabgeordneter die Arbeit der NRW-Polizei in sozialen Medien diskreditiert. Der Zwischenfall ist nichts, woraus Politiker Kapital schlagen sollten. Er zeigt vielmehr, wie angespannt die Nerven auch bei den Polizeibeamten sind. Was die Frage aufwirft, ob die zumeist sehr jungen Beamten auf solche Situationen richtig vorbereitet sind.
Dass es in Deutschland wieder zu Szenen kommen kann wie am Wochenende in Wuppertal ist ein Indiz dafür, dass etwas falsch läuft in Politik und Gesellschaft. Es zeigt, dass eine immer größer werdende Gruppe von Menschen für Tatsachen und die Grundwerte nicht mehr erreichbar sind, die Deutschland seit fast 70 Jahren auszeichnen. Und dass Taktierei und Überhöhen eigener, regionaler Interessen Unfrieden schürt und letztlich die bestärkt, die durch dieses lächerlich durchschaubare Getue bekämpft werden sollen. Es wäre hilfreich, wenn irgendwer in Berlin das dem Bundesinnenminister und seiner CSU-Landesgruppe noch einmal erklärt.