K4 Theater Freies Netzwerk Kultur in Wuppertal - Kunst und Kultur als Zufluchtsort

Wuppertal · Die 15-jährige Elli Köhler schreibt und spielt als jüngstes Mitglied der Betreiberfamilie des K4 Theater für Menschlichkeit. Im Folgenden berichtet sie über ihre Erfahrungen.

Elli Köhler spielt als jüngstes Mitglied der Betreiberfamilie des K4 Theater für Menschlichkeit.

Foto: ja/elli köhler

Die letzten Jahre waren durchtränkt von einer Vielzahl an Krisen- und Ausnahmesituationen. Die Coronapandemie, das immer stärkere Bewusstsein der Dramatik der Klimakrise, Afghanistan, der Ukraine-Krieg, um nur einige der Beispiele zu nennen. Diese Nachrichten machen etwas mit uns. Als Ventil begann ich Gedichte und Texte im „Poetry-Slam-Stil“ zu schreiben. Diese Texte haben mir ein neues Mittel eröffnet, meine Gefühle, Sorgen und Forderungen in Worte zu fassen und ihnen somit auf künstlerischer Basis Raum zu verleihen. Sie für mich selbst zu verarbeiten, während ich tiefer in die Materie eintauchen und gleichzeitig auch versuchen konnte, andere Menschen durch Auftritte und Veröffentlichungen zu bewegen und zu sensibilisieren. Dies ist einer der Wege, auf welchem ich merke, wie wichtig Kunst und Kultur für mich persönlich, aber auch global gesehen als Sprachrohr und Verarbeitungsmöglichkeit sind.

Erneut traf mich diese Erkenntnis, als im April vier ukrainische Schauspielerinnen zu uns, ins Theater meiner Eltern, kamen, dort lebten und ihr Stück einen Monat lang performten. Neben der sofort herrschenden familiären Atmosphäre zwischen uns und den Vieren war es unfassbar mit anzusehen, was dieses Stück, gefüllt mit ukrainischer Kultur, Leidenschaft und Herzblut, bei den hauptsächlich ukrainischen Gästen auslöste. Noch nie habe ich erlebt, wie sich so viele zuvor fremde Menschen nach gut zwei Stunden Theater mit Tränen in den Augen in den Armen lagen.

Es herrschte plötzlich wieder ein Gefühl von Zuhausesein. Von Heimat und Geborgenheit. Wieder einmal sah ich, was für einen Stellenwert und welche Relevanz Kunst haben kann, gerade in Extremsituationen. Kunst ist nicht nur ein Sprachrohr für politische Messages. Kunst verbindet von allein, automatisch und in einem kaum spürbaren Prozess, bis schließlich der überragende, zu Tränen rührende Effekt zu erkennen ist. Ein weiterer Aspekt, der mir in diesen Projekten klarer erschien als je zu vor, war: Kunst und Kultur sind grenzüberschreitend und kennen keine Sprachbarrieren. So trafen im Foyer Menschen aller Herkunft und Sprachen aufeinander und immer entstanden angeregte, interessierte und respektvolle Gespräche, die eine ganz bestimmte Art von Verbundenheit und Sicherheit ausstrahlten.

Meiner Ansicht nach zeigte sich dort zum Beispiel mehr denn je, dass Theater und Kunst im Generellen einen wichtigen und notwendigen Zufluchtsort darstellen. Dabei kann dieser verschieden genutzt werden, denn das Großartige an Kunst und Kultur ist: Sie können alles. Sie können kontrovers sein, provozieren und konkrete Forderungen stellen.

Doch sie können genauso zum Abtauchen dienen. Kunst kann einen versinken lassen in einer Geschichte und alle Umstände vergessen lassen. Meiner Meinung nach sind beide Aspekte essenziell und extrem hilfreich für den Umgang mit Krisensituationen, ob man selbst betroffen ist oder sich lediglich von schlechten Nachrichten erschlagen fühlt.

Kunst und Kultur zählen zu unseren wichtigsten Gütern. Denn Kunst kann laut und leise sein, kann harmonisch sein oder anecken, kann zutiefst berühren oder einen Ausweg, eine Flucht von tragischen Gedanken bilden. Aber Kunst und Kultur sind immer eines: bunt.