Freude bei den Kleinen, die Großen stehen unter Schock
FDP und Grüne strahlten während der Wahlparty im Rathaus. Vor allem den SPD-Anhängern stand der Schrecken hingegen ins Gesicht geschrieben.
Wuppertal. Mit diesem Ergebnis hatten offenbar auch die pessimistischsten Wuppertaler Genossen nicht gerechnet. Als am Sonntag um 18 Uhr die Wahlprognose über die Bildschirme ging, zog sich die Partei erst einmal zur Beratung zurück.
Zur selben Zeit rang der Direktkandidat der CDU im Wahlkreis Wuppertal I vor dem Ratskasino im 2. Oberschoss um Fassung. „Das muss ich erst einmal verdauen“, sagte Rainer Spiecker. Auch ihm ist es, wie vielen Christdemokraten vor ihm, nicht gelungen, den Wahlkreis Wuppertal I gegen die SPD zu gewinnen. Es kam wie stets in den vergangenen fast 60 Jahren. „Es war das knappe Rennen, mit dem ich gerechnet habe.“ In den nächsten Tagen werde die Partei das Ergebnis analysieren.
Auch Spieckers Konkurrent von der SPD, Helge Lindh, gab sich zunächst ungewohnt wortkarg. Erst als sein Erfolg feststand, fand der 40 Jahre alte Sozialdemokrat seine Stimme wieder. „Ich habe gemischte Gefühle“, sagte er. „Für die SPD war das eine richtige Klatsche. Ich persönlich freue mich auf meine Aufgaben in Berlin.“
Unter Wuppertals Sozialdemokraten war der Landtagsabgeordnete Andreas Bialas der erste, der seine Stimme wiederfand. Das Ergebnis seiner Partei könne er „offen, ehrlich und direkt mit einem Wort ausdrücken: Scheiße“. Jetzt müsse sich seine Partei neu aufstellen.
Wie das geschehen sollte, sagte am Ende der Beratungen Wuppertals SPD-Chef Heiner Fragemann. „20 Prozent Stimmenanteil sind kein Regierungsauftrag“, sagte er. „Ich finde es richtig, dass die SPD nun in die Opposition geht.“ Mehr als die Hälfte der Bürger habe sich für eine Partei rechts von den Sozialdemokraten entschieden.
Wie die Parteifreunde in Berlin werten auch Wuppertals Genossen das als einen Auftrag an die CDU/CSU, ohne die SPD weiterzuregieren.
Damit befinden sie sich in grüner Gesellschaft. Deren Wuppertaler Vorsitzende Claudia Schmidt sieht schwierige Verhandlungen auf ihre Partei zukommen. CDU, FDP, Grüne — eine Jamaika-Koalition liegt in der Luft. „Das wird sehr schwer für uns“, mutmaßt Schmidt. Für den Fall, dass die Grünen mit der Union und den Liberalen regierten, fürchtet sie, dass die Partei eher links orientierte Mitglieder verlieren könne.
Aber das ist noch Zukunftsmusik. Deutlich leichter kann Manfred Todtenhausen in seine mittelfristige Lebensplanung einsteigen. Der Liberale gehört wie die Grünen zu den Siegern des Wahlabends. Bei einem zweistelligen Ergebnis der FDP wäre er sicher im Bundestag, zum zweiten Mal nach 2012-2013. „Ich bin überglücklich. Ich habe schon mit einem guten Ergebnis für uns gerechnet, aber dass es so gut werden würde, daran habe ich nicht gedacht“, sagte er.
Für Bernhard Sander von den Linken war der Wahlsonntag kein schöner Tag. Seine Partei verfehlte das Ziel, drittstärkste Kraft im Lande zu werden. Chancen, über die Liste in den Bundestag einzuziehen, hatte der 62-Jährige nicht. Damit hatte er auch gerechnet.
Dass die Linke sich aber noch hinter der FDP einordnen muss, wurmt ihn. „Damit können wir nicht zufrieden sein“, sagte er und machte die Große Koalition für das starke Abschneiden der AfD verantwortlich. „Das ist die Schwäche von CDU und SPD“, so Sander. Die Große Koalition habe sich nicht deutlich genug vom Rassismus der AfD distanziert.
In den Wuppertaler Wahlkreisen I und II (Cronenberg, Ronsdorf, Remscheid Solingen) landete die AfD unter ihrem Bundesergebnis bei etwa elf Prozent.