GEW-Gewerkschaft Wofür Wuppertaler Lehrer auf dem Kerstenplatz demonstrieren

Wuppertal · Lehrer und Lehrerinnen sind mit den Bedingungen an Wuppertaler Schulen unzufrieden. Bei einer Demonstration in Elberfeld machen sie ihrem Ärger Luft - was sie fordern.

Schon in Düsseldorf waren die farbigen Silhouetten, die für die fehlenen Lehrkräfte stehen, bei einer GEW-Demonstration dabei.

Foto: Annette Etges

An Wuppertals Schulen fehlen weiterhin zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer. Besonders betroffen sind Grundschulen, an denen nach Angaben der Gewerkschaft GEW 70 Lehrkräfte fehlen, und Förderschulen, die mehr als 60 Pädagogen zu wenig haben. Dazu kommen noch Lücken durch Schwangerschaften, Elternzeit und erkrankte Kollegen. Mit einer Demonstration auf dem Kerstenplatz in der Elberfelder Innenstadt am heutigen Dienstag, 15 bis 17 Uhr, will die GEW das Thema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Motto der Veranstaltung: „#Ihr fehlt für gute Schule“. Zwanzig lebensgroße farbige Silhouetten sollen symbolisch für die fehlenden Lehrkräfte stehen.

Jede Figur stehe für rund 200 Lehrkräfte, denn in ganz NRW fehlten an die 4000 Lehrkräfte, erklärt Richard Voß vom Leitungsteam der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) in Wuppertal. An fast jeder der 56 Grundschulen in Wuppertal sei mindestens eine Stelle nicht besetzt. Auf WZ-Nachfrage heißt es bei der Bezirksregierung, belastbare Zahlen lägen erst ab kommender Woche vor, wenn sämtliche Veränderungen an den Schulen in die Statistik eingepflegt seien.

Voß ist Leiter der Grundschule Am Nützenberg, an seiner Schule gehörten drei Personen nicht mehr zum Kollegium, weil sie in Pension gegangen sind, berichtet er. „Das ist noch nicht kompensiert.“ Es gebe Vertretungskräfte, aber diese könnten ausgebildete Lehrkräfte nicht vollständig ersetzen. „Früher gab es einen Vertretungspool mit ausgebildeten Lehrern, den gibt es nicht mehr“, sagt er. Heute seien die Vertretungskräfte zum großen Teil Studierende im Masterstudium. In Wuppertal arbeiteten mehr als 200 Vertretungskräfte ohne vollständige Ausbildung.

Studierende dürften zudem höchstens 14 Schulstunden übernehmen, also brauche man als Ersatz für eine Lehrkraft zwei Vertretungskräfte. „Wir sind froh über ihre Unterstützung, aber sie sind keine fertigen Pädagogen“, so Voß. Auch ihre Einarbeitung und Begleitung bedeute Aufwand, den die verbliebenen Kollegen leisten müssten. „Die Decke ist an vielen Ecken zu kurz“, klagt Voß.

Gewerkschaft fordert gleiche Bezahlung an allen Schulformen

Und das gehe zu Lasten der Kinder. „Der Mangel verhindert Bildungschancen“, erklärt er. Individuelle Förderug, vor allem für Kinder mit besonderem Förderungsbedarf, sei oft nicht möglich. Der chronische Mangel verhindere kleinere Klassen, die eigentlich nötig seien.

Die Forderungen der Gewerkschaft: Endlich gleiche Bezahlung für alle Lehrkräfte unabhängig von der Schulform, an der sie unterrichten, und mehr Studienplätze für Lehramtsstudierende. Noch immer werden Lehrkräfte an Grundschulen in einer niedrigeren Besoldungsstufe eingeordnet als Lehrkräfte für die Sekundarstufe II, also etwa die Oberstufe an Gymnasien.

Seit Jahren gibt es die Forderung nach gleicher Bezahlung, vor allem, seit sich das Studium im Umfang nicht mehr unterscheidet. Doch bisher ist diese Forderung nicht umgesetzt. „Aus meiner Sicht ist das eine Katastrophe“, sagt etwa Dietmar Bell, Wuppertaler SPD-Landtagsabgeordneter und Wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Die Landesregierung habe eine Angleichung der Besoldung versprochen, aber bisher nicht umgesetzt. Sein Kollege Josef Neumann macht deutlich: „Wir brauchen eine höhere Besoldung, damit der Anreiz größer ist.“

Die SPD-Fraktion im Landtag hatte in einer Kleinen Anfrage aktuelle Zahlen zur Personalsituation an Schulen aus den Wahlkreisen angefordert. Erhalten haben die Abgeordneten den Stand vom 1. Juni - ebenfalls mit Verweis auf die unvollständige Statistik. „Das ist unbefriedigend“, klagt Josef Neumann. Auch wenn sich die Situation inzwischen wieder verändert haben kann, machen die Zahlen vom 1. Juni deutlich, dass besonders an Grund- und Förderschulen Lehrkräfte fehlen.

Richard Voß von der GEW weiß, dass viele Stellenausschreibungen ohne Erfolg bleiben. „Es gibt einfach keine Lehrer auf dem Markt.“ Auch die Bezirksregierung vermeldet, dass von 27 an Wuppertaler Grundschulen zum 13. August ausgeschriebenen Stellen nur sieben besetzt werden konnten. Deshalb ist eine weitere Forderung der Gewerkschaft, die Studienkapazitäten zu erhöhen. „Hier ist schon seit Jahren viel versäumt worden“, sagt Voß.

Dietmar Bell sagt: „Die Landesregierung müsste mit den Hochschulen verhandeln und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.“ Denn die Hochschulen hätten einen hohen Autonomiegrad, leider sei für sie häufig ein Engagement in drittmittelträchtigen Bereichen, etwa in den Ingenieurwissenschaften, attraktiver. Er warnte, wenn da nicht gegengesteuert werde, „rutschen wir in einen dramatischen Lehrermangel“. Er forderte nicht nur mehr Studienplätze, sondern auch bessere Möglichkeit der pädagogischen Qualifizierung für Menschen, die sich nach anderen Berufserfahrungen für den Lehrerberuf entscheiden.