Frühchen: Zweite Operation soll das Augenlicht retten
Falsche Behandlung in der St. Anna-Klinik: Der Großvater des schwer verletzten Jungen hofft für seinen Enkel.
Wuppertal. Nach der Fehlbehandlung dreier Frühchen auf der Neugeborenen-Intensivstation der St. Anna-Klinik versuchen die Ärzte dem am schwersten verletzten Jungen — ein Säugling aus Solingen — das Augenlicht zu retten. Ende der Woche soll es einen entsprechenden Eingriff in der Helios-Augenklinik geben. Es ist bereits der Zweite, nach der folgenschweren Behandlung am 7. Februar.
Wie am Dienstag berichtet, wurde dabei drei Frühchen im Rahmen einer Routineuntersuchung zu hoch dosierte Tropfen mit dem Wirkstoff Benzalkoniumchlorid in die Augen geträufelt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Dosierung tausendfach zu hoch war. Die Hornhäute des Jungen seien schwer verätzt worden.
Nach Angaben des Großvaters des Kindes machten die Ärzte am vorvergangenen Montag den ersten Versuch, die Hornhäute des Jungen wiederherzustellen. Ein Fehlschlag. Bei der Nachuntersuchung habe sich keine Besserung eingestellt. Deswegen der zweite Eingriff in der Augenklinik.
Zu den Erfolgschancen gibt es keine Kommentare: Die Familie des schwer verletzten Jungen ist am Boden zerstört. Nach Angaben des Großvaters lag seine schwangere Tochter 14 Wochen im Bett, bangte jeden Tag um ihr erstes Kind. Als der Junge dann auf die Welt kam, war er gesund. Umso fataler jene Augenuntersuchung am 7. Februar: Dabei soll die Mutter anwesend gewesen sein. Als die Augenärztin — nach jetzigem Ermittlungsstand definitiv unwissentlich — die falschen Tropfen per Pipette in die Augen der Säuglinge träufelte, hätten die Babys geschrien und sich regelrecht gewunden, so der Großvater.
Die Ärztin habe das zunächst als durchaus „normale“ Reaktion eingeschätzt. Erst als die zweite Portion Tropfen bei ihrem Sohn die gleichen Reaktionen ausgelöst habe, hätte sie als Mutter die Behandlung abbrechen lassen. Das würde erklären, warum die anderen beiden Säuglinge — ein Junge und ein Mädchen aus Wuppertal — deutlich leichter verletzt sind. Die Mutter des Solinger Jungen rettete den beiden Frühchen wahrscheinlich das Augenlicht.
Klinikverbund-Sprecher Martin Mackenberg-Hübner dazu am Mittwoch zur WZ: „Wir bedauern den Vorfall und haben großes Verständnis für die emotional geprägte Darstellung der Abläufe seitens der Angehörigen.“ Angesichts der laufenden Ermittlungen könne man keine weiteren Kommentare abgeben.
Am Mittwoch bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass auch die Familie des Frühchens aus Solingen Strafanzeige erstattet und einen Anwalt eingeschaltet hat (siehe Kasten rechts).
Zur Erinnerung: Die behandelnde Ärztin hatte offenbar keine Ahnung, dass sie den Frühchen viel zu hoch dosierte Tropfen verabreichte. Die Augentropfen — sie werden zum Weiten der Pupillen eingesetzt — wurden in einer Zentralapotheke in Köln gemischt. Diese Apotheke beliefert unter anderem den Klinikverbund, der die Frühchen -Intensivstation in der St. Anna-Klinik betreibt.
Wie berichtet, geht der Verbund davon aus, dass bei der Übermittlung der Rezeptur durch die behandelnden Ärzte und bei der Kontrolle in jener Kölner Zentralapotheke Fehler gemacht wurden, die zu der gravierenden Überdosierung führten. Die Ermittlungen dazu dauern an.