Analyse Für die Stadt geht es um mehr als Gewerbesteuer-Einnahmen

Wuppertal · Analyse Der Brexit oder ein Bruch der Großen Koalition in Berlin könnte für Wuppertal sehr teuer werden.

Die Stadt Wuppertal hat in den vergangenen Jahren von vielen EU-Förderprogrammen profitiert.

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Regierungen kommen, Regierungen gehen. Doch wer hofft, dass der Brexit und die aktuelle Regierungskrise in Berlin an der Wuppertaler Stadtkasse spurlos vorüber gehen, der sollte sich nicht allzu sicher fühlen. Es könnte für Wuppertal sehr teuer werden, wenn die Engländer aus der EU aussteigen oder CDU/CSU und SPD die Zusammenarbeit im Bund vorzeitig aufkündigen.

Beim Deutschen Städtetag in Dortmund kamen die Oberbürgermeister und Stadtdirektoren der reichen und armen Kommunen in dieser Woche zusammen. Ein zentrales Thema des Städtetags war die Reform der Grundsteuer. Jahrelang schob die Regierung das Thema vor sich her. „Jetzt ist es eine Minute vor Zwölf“, sagt Kämmerer Johannes Slawig. Da die bisherige Berechnung der Grundsteuer vom Bundesverwaltungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist, müssen sich Bund und Länder auf eine neue Regelung einigen. Gelingt das in diesem Jahr nicht mehr, was bei einem vorzeitigen Ende der Groko mit großer Wahrscheinlichkeit der Fall wäre, würden 2020 rund 76 Millionen Euro in der Wuppertaler Stadtkasse fehlen. „Dieses Loch im Haushalt könnten wir in Wuppertal nicht ausgleichen, auch wenn es dann später zu Nachzahlungen kommen sollte“, sagt Slawig. Selbst reiche Städte wie München, Düsseldorf oder Hamburg fürchten den zeitweiligen Wegfall der Einnahmen aus der Grundsteuer. Daher ist bundesweit Druck auf dem Kessel. Kommt es zu Neuwahlen, dann wird sich auf anderen politischen Feldern Druck aufbauen. Wahlkampfzeiten seien für die Lösung derartiger Probleme nicht geeignet, glaubt der Stadtkämmerer.

Bei einem Brexit würden wohl Fördermittel wegfallen

Weit mehr als die Grundsteuer steht für Wuppertal auf dem Spiel, wenn die Regierung unter Angela Merkel die Arbeit einstellen sollte. Es wurde eine Regierungskommission gebildet, die sich seit Monaten mit den Themen Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und den Altschulden der finanzschwachen Städte beschäftigt. Wuppertal hat in den vergangenen Jahren zwar Schulden abgebaut, steckt aber immer noch tief in den roten Zahlen. Knapp zwei Milliarden Euro betragen die Kassenkredite und Investitionsschulden. Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, dem mehr als 70 Kommunen aus acht Bundesländern angeschlossen sind, erhofft sich im Juli von der Regierungskommission Signale zum Schuldenschnitt und zur Entlastung finanzschwacher Städte bei den sozialen Leistungen. Unter Schuldenschnitt ist die Absicherung der Kreditlast zu verstehen. In der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase haben sich die Städte an niedrige Zinsen gewöhnt. Doch wenn die Zinsen nur um ein Prozent steigen, geht die Rechnung auch in Wuppertal nicht mehr auf. Dieses Risiko könnte durch die Schaffung eines Altschuldenfonds auf Bund und Länder verlagert werden.

„Das Bündnis der Städte besteht seit zehn Jahren. Nie waren wir mit unseren Bemühungen so weit wie jetzt. Es wäre tragisch, wenn sich das alles durch den Bruch der Großen Koalition in Luft auflösen würde“, sagt Johannes Slawig.

Definitiv neu gemischt werden die Karten durch den Brexit. Das wird Wuppertal vermutlich bei der EU-Förderung zu spüren bekommen. Zwischen 2015 und 2018 flossen 13 Millionen Euro für Städtebau, Sozialraum- und Arbeitsmarktförderung in den Barmer Osten. In der Rangliste der förderungsbedürftigen Kommunen rückt Wuppertal nach unten, wenn die relativ finanzstarken Engländer als Einzahler in die EU-Fördertöpfe ausscheiden sollten. Ob dann noch Förderprogramme wie die „Soziale Stadt Oberbarmen und Heckinghausen“ möglich sind, wird spätestens dann zum Rechenexempel werden, wenn die aktuelle Förderperiode im kommenden Jahr ausläuft.