Gerichts-Posse um Cannabis geht weiter

Warum sich die Juristen seit drei Jahren um eine Bagatelle streiten.

Wuppertal. Cannabis riecht. Nicht nur, wenn es geraucht wird. Auch die Pflanzen geben eine markante Note ab. Den Nachbarn eines Wuppertaler Architekten störte das. Er zeigte den Mann an. Die Polizei kam, fand ein paar Blumenkübel samt Pflanzen. Von einer professionellen Cannabis-Zucht wie sie im Bergischen Land zuletzt immer mal wieder entdeckt wurden, war der Bestand des Mannes allerdings weit entfernt. Dessen Heim-Plantage darf getrost als dilettantisch eingestuft werden. "Profis" bauen High-Tech-Wärmelampen und automatische Bewässerungsanlagen - bei dem 48-Jährigen gab’s das nicht.

Der nicht vorbestrafte Architekt gab als Erklärung für seine Pflanzungen an, ab und zu Cannabis zu rauchen, zur Linderung seiner Heuschnupfen-Beschwerden. Das mag entwaffnend offenherzig klingen. Dennoch gilt: Auch Mini-Gewächshäuser für homöopathische Kiffer sind verboten. Also musste sich der Architekt vor Gericht verantworten.

Eigentlich eine 08/15-Sache. Im vergangenen Jahr sah das Gericht von einer Verurteilung wegen Cannabis-Besitzes "in nicht geringen Mengen" ab. Es handele sich bei dem 48-Jährigen eben nicht um einen Dealer, zu gering sei die gefundene Cannabis-Menge gewesen, hieß es. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage von 1200 Euro eingestellt - mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft.

Im Vertrauen darauf, dass der Fall für ihn erledigt sei, zahlte der 48-Jährige seine Geldbuße und wunderte sich, dass er plötzlich doch wieder als Angeklagter geladen wurde - im selben Fall. So wanderte der drei Jahre alte Casus durch die Instanzen. Jetzt gibt es ein neues Urteil in dem kuriosen Fall. Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen eine Einstellungsverfügung wurde am Dienstag zurückgewiesen. Kaum überraschend: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Kern des Dauerstreits: Die Polizei hatte damals nur für die Werkstatt des Angeklagten einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Weil die Fahnder seinerzeit aber durch die Fenster der Wohnung des Architekten weitere Cannabis-Pflanzen entdeckten, fragten sie die Staatsanwaltschaft um Rat. Die erkannte auf "Gefahr im Verzug". Ergebnis: Die Polizei durchsuchte auch die Wohnung des Architekten. Die Cannabis-Pflanzen dort hätten von der Menge her möglicherweise auch gereicht, um von einem Verbrechen auszugehen.

Bislang folgten die Gerichte der Meinung von Verteidiger Michael Kaps, dass die damalige Polizeiaktion einen "schweren Verstoß" gegen den sogenannten Richtervorbehalt darstelle. Das heißt: Die Erkenntnisse aus der Wohnungsdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss dürfen nicht verwertet werden.

Die Fronten sind verhärtet. Verteidiger Michael Kaps pochte auch am Dienstag darauf, dass sein Mandant nicht dem kriminellen Drogenkreislauf zuarbeite, eben kein Verbrecher sei. Unter anderem verwies er darauf, dass die Wirkung des "Privat-Cannabis" mit dem Stoff eines Profi-Dealers nicht zu vergleichen sei. Kaps zum Gericht: "Wenn Sie das auf der Platte verkaufen wollen, werden Sie verhauen."

Die Staatsanwaltschaft räumte zwar einen "Lapsus" bei der Ausstellung des damaligen Durchsuchungsbeschlusses ein. Der Fehler sei aber nicht willkürlich begangen worden. Acht Monate Haft auf Bewährung und eine Geldauflage von 1200 Euro seien Tat und Schuld angemessen. Das Landgericht weist das zurück. Der Gang vors Oberlandesgericht scheint unumgänglich.

Kurios: Mittlerweile gibt es ein neues Ermittlungsverfahren gegen den naturheilkundlich veranlagten Architekten. Wieder hat jener Nachbar die Polizei informiert. Wieder fanden sich Cannabis-Pötte auf der Fensterbank des Architekten. Die Pflanzen jetzt ihre Duftnote in der Asservatenkammer der Polizei ab. Die Ermittlungen dauern an