Grüne sehen Bergisches Land als Vorreiter bei der Energiewende
Peter Vorsteher, Fraktionschef der Grünen, fordert einen schnellen Ausstieg.
Herr Vorsteher, glauben Sie, dass die Stadtwerke planen, irgendwann keinen Atomstrom mehr beziehen zu wollen?
Vorsteher: Ja, aber wenn wir Grüne nicht mehr Druck aufbauen, werden wir über einen längeren Zeitraum noch mit Atomstrom leben müssen. Wenn man die Akteure betrachtet, die bei den WSW aktiv sind, wie etwa die Gewerkschaft Verdi, die im Aufsichtsrat zehn Arbeitnehmervertreter hat, dann ist es entscheidend, wie deren Position zur Energiewende ist und ob sie bereit sind, diesen Weg schnell einzuschlagen. Aber es ist auch wichtig, wie sich die Ratsfraktionen von CDU und SPD positionieren. Die sind ebenfalls im Aufsichtsrat vertreten.
Die Stadt Wuppertal ist mit 70 Prozent die Mehrheitseignerin der Stadtwerke. Erwarten Sie von der Stadtspitze mehr Druck auf die Stadtwerke, um die Energiewende zu forcieren?
Vorsteher: Wie ich schon sagte: Wir Grüne haben andere Zeitvorstellungen als etwa SPD und CDU. Wir fordern einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Wir möchten auch deshalb auf die erneuerbaren Energien umsteigen, weil wir der Auffassung sind, dass wir damit eine Menge neuer Arbeitsplätze im Bergischen schaffen können.
Wie viele Jobs werden dadurch im Bergischen Land geschaffen?
Vorsteher: Ich möchte mich nicht auf eine Zahl festlegen, das wäre sehr vermessen. Wir haben aber im Bereich Energieeinsparung sehr viel Potenzial für neue Jobs. Ein Beispiel: Auf Küllenhahn wird derzeit eine 100 Jahre alte Fabrik energetisch saniert, so dass sie 40 Prozent weniger Energie als ein Neubau benötigen soll. Durch solche Projekte entstehen neue Arbeitsplätze im Handwerk, und das kann den Betrieben in Wuppertal nur gut tun.
Bis wann könnte die Energiewende im Bergischen Land vollbracht sein?
Vorsteher: Der Ausstieg aus dem Bezug von Atomstrom könnte bis 2020 vollbracht sein. Die komplette Umstellung der bergischen Energieversorgung auf erneuerbare Energien könnte bis 2030 gelingen. Deswegen sagen wir auch, dass die Beteiligung der WSW an dem Kohlekraftwerk in Wilhelmshaven nicht der richtige Weg ist. Wir haben immer dafür plädiert, ein Gaskraftwerk mit höherem Wirkungsgrad zu bauen. Das Kohlekraftwerk hat nur einen Wirkungsgrad von 46 Prozent, der Rest heizt über das Kühlwasser die Nordsee auf — vom Kohlendioxidausstoß ganz zu schweigen.
Ursprünglich gab es bei den WSW ja auch Pläne, sich an einem OffShore-Windpark zu beteiligen. Diese Pläne gibt es nicht mehr, was halten Sie davon?
Vorsteher: Das ist bedauerlich. Aber wir können uns durchaus vorstellen, dass wir in NRW mehr Windkraft erzeugen. Die rot-grüne Landesregierung hat ja angekündigt, die Rahmenbedingungen für neue Windkraftanlagen zu verbessern. In den bestehenden Windparks sollten die bestehenden Windräder durch neuere, größere ersetzt werden. Das bringt Jobs. Denken Sie an die Firma Schaeffler, die in Wuppertal Teile von Windkrafträdern produziert. Sie hat schon 2008 erklärt, dass sie bis 2016 keine Mitarbeiter entlassen werden, so brummt deren Geschäft.
Das kostet aber alles viel Geld. In einer WZ-Umfrage hat sich die Mehrheit dagegen ausgesprochen, mehr Geld für Energie bezahlen zu wollen, um den Ausstieg zu beschleunigen. Wie schätzen Sie das ein?
Vorsteher: Wenn man die Entwicklung in Japan betrachtet, dann wird doch deutlich, wie gefährlich die Atomkraft ist. Wenn wir bis 2020, und das ist ein vernünftiges Tempo, aussteigen wollen, dann setzt das voraus, dass wir Investitionen tätigen. Es muss insbesondere in die Netze investiert werden.
Es gibt aber auch Widerstand gegen die „Verspargelung der Landschaft“. Wie werden Sie damit umgehen?
Vorsteher: Dort, wo es Konflikte gibt, werden wir vermittelnd eingreifen. Wir können uns auch vorstellen, dass die Netze unterirdisch ausgebaut werden. Das hat auch Vorteile, denn bei oberirdischen Leitungen ist der Stromverlust höher als bei Leitungen unter der Erde.
Das kostet aber viel Geld.
Vorsteher: Wir werden zusammen mit der Energiewirtschaft daran arbeiten, dass die Preiserhöhungen so moderat wie möglich ausfallen. Die Wuppertaler haben es aber auch selbst in der Hand, ihre Kosten durch Energieeinsparungen wieder zu reduzieren.
Im Juli startet der Kongress „100 Prozent erneuerbar“ an der Bergischen Uni. Ist das der Startschuss für die Energiewende im Bergischen Land?
Vorsteher: Ja, denn es sind alle Teilnehmer mit von der Partie, die wir in dieser Region brauchen, um die Wende vernünftig und schnell einzuläuten; unter anderem die Uni, das Wuppertal Institut, die Handwerkskammer und die Energieagentur NRW.
Kann das die Möglichkeit für das Bergische Land sein, sich auch im Standortwettbewerb erheblich besser zu positionieren?
Vorsteher: In der Tat. Wir können alle Talente, die wir in diesem Bereich haben, zu einem Energiecluster für Spitzentechnologie zusammenführen. Damit würden wir bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen und könnten unser Know-how über die Region hinaus vermarkten.
Dazu brauchen Sie aber auch die Unterstützung der Wirtschaft.
Vorsteher: Ja, und deswegen ist es sehr wichtig, die Unternehmen ins Boot zu holen. Wir haben zum Beispiel in Wuppertal eine ganze Menge Firmen, die riesige Dachflächen haben. Das ist ein gigantisches Potenzial für Solaranlagen.
Das sollte aber nicht so ausgehen wie bei der evangelischen Kirchengemeinde in Vohwinkel, die großen Ärger bekam, weil sie eine Solaranlage auf ihrem Dach installierte?
Vorsteher: Eine solche Posse darf sich nicht wiederholen. Aus Sicht der Grünen sollten auch auf denkmalgeschützten Gebäuden Solaranlagen installiert werden dürfen.