Hagen Rether: Viel Applaus für den Satiriker am Flügel
Scharfsinnig und scharfzüngig begeisterte der Wahl-Essener am Samstag sein Publikum in der Wuppertaler Stadthalle.
Wuppertal. „Wollen Sie sich heute Abend mal richtig schön langweilen, so drei Stunden lang?“, begrüßte Hagen Rether sein Publikum spitzfindig. Und setzte damit bei seinem Auftritt am Samstagabend in der Stadthalle zu einem mehrstündigen Marathon mit Lektionen zur Zeitgeschichte an. Und das war frech, ironisch, polemisierend, sarkastisch und einiges mehr, was es an Attributen aus der Abteilung „kabarettistisch“ gibt. Auf jeden Fall nicht langweilig.
„Wutbürger sind die, die gegen Fluglärm demonstrieren. Aber kaum erkennen sie einen Brückentag im Kalender, fliegen sie nach Mallorca.“ Mit Sprüchen wie diesen erntete der 1969 in Bukarest geborene und inzwischen in Essen lebende Rether viele Lacher.
Dass seiner Meinung nach „Wut die Schwester der Angst ist und Zorn eine Mischung aus Ohnmacht und Wut“ ist, blieb dann applaus- und lachtechnisch unkommentiert.
Beides zusammen war typisch für den mit wichtigen Szene-Preisen Ausgezeichneten: Er liefert nur vordergründig leicht Verdauliches. Hinter den als Schenkelklopfern getarnten Sprüchen — „Männer saufen 30 Jahre Bier und wundern sich, wenn sie mit 50 einen Busen haben.“ —, lauert ein Ziel — seine Zuhörer wach zu machen.
Scharfsinnig und scharfzüngig verlangt der 44-Jährige seinen Publikum alles ab, was sie in satten drei Stunden an Konzentration aufbringen können. Und selbst dann entging noch so manche Pointe, weil die Attacken eben unerwartet kommen. Er wendet seinen Blick auf Krisen in Syrien oder Griechenland „und wir hier stellen uns die bange Frage, ob ‚Wetten, dass ...’ noch zu retten ist.“
Er erinnert an Hiroshima, Foltergefängnisse und einen Geheimdienst, der das Mobilfunktelefon der Bundeskanzlerin abgehört hat. „Stimmt, das waren ja die Amerikaner, nicht die Nordkoreaner. Ich verwechsel’ das immer. Was hatten die Nordkoreaner noch mal gemacht? Ach ja, eine Rakete getestet. Die musst du nicht testen, die musst du einsetzen. Dann klappt es auch mit einem Sitz im Sicherheitsrat.“ Rether betrachtet Schulreformen, prominente Testimonials und diskussionswürdige Schulreformen. Lapidar, fast nebensächlich scheint er so vor sich hin zu erzählen. Nebenbei wird die Gesellschaft, in der wir Leben, mit den Mitteln der Satire genau zu hinterfragen. Ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten wird dabei jeder seziert, nicht bloß die üblichen Verdächtigen.
Übrigens ist das Programm mit dem Titel „Liebe“ überschrieben. Und dass die in die Tiefe geht und alles andere als langweilig ist, hat Hagen Rether unter Beweis gestellt.