Uwe Becker: Begrabt mein Herz in Wuppertal Happy Dingsbums, Wuppertal!

Uwe Becker kommt zum Waffeln Backen mit der WZ am Langen Tisch extra früher aus seinem Urlaub zurück.

Uwe Becker ist Chefredakteur des Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Magazins Titanic.

Foto: Joachim Schmitz

Als ich geboren wurde, feierte die Stadt Wuppertal gerade ihren 25. Geburtstag. Meiner Mutter wurde vom damaligen CDU-Oberbürgermeister (1951-1955), Herbert Schmeißing, im Krankenhaus ein großer Blumenstrauß überreicht, mich grinste das Stadtoberhaupt freundlich an, und so weit ich mich erinnern kann, sagte er zu mir: „Dududududududiduda!“ Danach soll er wohl auch noch meine Wange getätschelt haben, worauf er auch gerne hätte verzichten können.

Ich muss gestehen, lieber wäre ich zwischen 1949 und 1951 zur Welt gekommen, denn dann hätte meine Mutter vom SPD-Oberbürgermeister  Robert Daum  ein Sträußchen bekommen. Für meine Mutter und mich wäre es natürlich schöner gewesen, wenn mir der Namensgeber der Schwebebahnstation „Robert Daum-Platz“ meine Wange getätschelt hätte und „Dududududududiduda!“ zu mir gesagt hätte.

Meine Eltern waren immer schon SPD-Wähler, und auch mir wurde die Sozialdemokratie quasi mit in die Wiege gelegt. Aber das Schicksal wollte es nicht so. Diese kleine Geschichte zum Start meines Lebens hätte ich ihnen vorenthalten können, habe ich aber nicht, weil ich mich immer sehr gerne daran erinnere, wenn wir alle fünf Jahre den Gründungstag unserer Heimatstadt feiern.

Am 5. Geburtstag, dem 1. August 1934, wurde noch nicht so viel Gedöns gemacht, es gab Kaffee und Kuchen, den die Mutter oder die Oma gebacken hatte. Opa bekam eine gute Zigarre oder stopfte sich eine Pfeife. Das Fest hieß damals auch noch nicht „Der Lange Tisch“, sondern „5 Jahre Wuppertal - Das Fest mit fast alles“. Barmen feiert mit einem ähnlichen Slogan noch heute sein jährliches Stadtteilfest. 1939 und 1944 hieß die Geburtstagsparty der Stadt „Der Braune Tisch“, wofür jeder Verständnis zeigte oder zeigen musste, da die Oberbürgermeister in dieser Zeit der NSDAP angehörten.

1949, zum 20. Stadtgeburtstag, bekam das Fest einen neuen Namen, der durch einen Wettbewerb ermittelt wurde, an dem die gesamte Bevölkerung teilnehmen konnte: „Happy Dingsbums Wuppertal“. Der Vorschlag kam von meinem Vater, aber nur, weil ihm die englische Übersetzung „Birthday“ nicht einfiel. Er kam zwar gerade aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft, war aber noch etwas durcheinander. Im Rathaus kam der Vorschlag aber super an, was mich heute noch verwundert.

Aber es ist ja auch nur eine von vielen seltsamen Entscheidungen gewesen, die verantwortliche Wuppertaler Politiker in den vergangenen 90 Jahren getroffen haben. Es war im Jahre 1981, an einem Dienstag, dem Sperrmüllabbfuhrtag für den Bereich Unterbarmen, als der türkische Mitarbeiter der AWG, Gürkan Yildiz, rauchend auf der Friedrich Engels Allee steht, um eine kleine Pause einzulegen. Er betrachtet die vielen Sofas, Tische und Sessel, die er gleich zur Müllkippe bringen muss, als ihm die Idee kam: „Wenn Wuppertal wieder Geburtstag hat, tragen alle Menschen ihre Tische und Sofas auf die Straße, um draußen zu feiern. Danach tragen sie die Möbel aber wieder schön in ihre Wohnung zurück, haha!“

Tatsächlich wurde seine Idee umgesetzt. Allerdings hat Herr Yildiz nicht bedacht, das viele Menschen an diesem Tag nicht ihre „guten“ Möbel auf die Straße stellen, sondern alte Tische und Sofas, die man beim nächsten Sperrmüll sowieso rausgestellt hätte. Er hatte es zwar gut gemeint, aber seine Kollegen waren nach dem ersten „Langen Tisch“ im Jahre 1984 schon sauer, hatten sie doch mehr Arbeit mit dem Müll als angenommen. Die meisten Menschen, die keine alten, ausrangierten Möbel hatten, die sie zum Fest hätten rausstellen können, kauften sich, wenn sie nicht ganz arm waren, in einem billigen Möbelhaus schnell noch ein rabattiertes Sofa und einen günstigen Tisch. Nach dem Fest ließen sie die Möbel einfach auf der Straße stehen. Gülkan Yildiz und seine Kollegen mussten diese neuwertigen Möbel dann auch noch mit zur Kippe fahren. Alles nicht so erfreulich, oder?

Aber ich will ihnen allen die Freude an der Party nicht nehmen. Ich komme sogar eigens für den runden 90. Geburtstag am 29. Juni früher aus meinem Urlaub zurück, damit ich am langen Tisch der Westdeutschen Zeitung am Islandufer mit Kollegen Waffeln backen kann. Der Verkaufserlös geht zu 100 Prozent an den Verein „Wuppertaler in Not“. Wer mich vor Ort anspricht, bekommt von mir gerne eine Autogrammkarte und einen meiner echten „Kolumnisten“-Kugelschreiber, die ich selber benutze, übrigens.