Herr Lindh, wie nutzen sie die parlamentarische Sommerpause in Berlin?
Sommer-Interview „Keine Werbung fürs Tanzzentrum“
Helge Lindh über das Tanztheater und Berliner Themen.
Lindh: Wandern, spazieren auf der Nordbahntrasse. Gehen ist erholsam, dabei nachdenken. Ich würde gerne das Radfahren wiederentdecken, aber das habe ich seit Jahren nicht mehr praktiziert. Und vielleicht wieder einen Text lesen, der den Umfang eines Buches hat. Hier in Berlin sind wir darauf trainiert, Texte zu erfassen, die uns die erforderlichen und gerade benötigten Informationen liefern.
Was war das Thema, das den Sommer in Berlin bestimmt hat? Und welches Thema hätte ihn nach Ihrer Meinung bestimmen sollen?
Lindh: Das alles überstrahlende Thema ist immer noch das Thema Immigration, Integration - aber in Wahrheit heißt das Thema Flucht und Grenzen. Ob es um Sami A. ging oder die 69 Abschiebungen, die der Innenminister an seinem Geburtstag als Geschenk erachtet hat. Was mehr ein Thema sein sollte, ist die Seenotrettung im Mittelmeer – und daher habe ich mich dafür eingesetzt. Es ist ein Skandal, den wir erleben, ohne das sichtbar wäre, dass Europa eine Lösung dafür hätte. Es ist Ausdruck, dass Europa unfähig ist, eine solidarische Lösung zu finden. Es kann nicht sein, dass wie in einem Pokerspiel jeder darauf wartet, dass der andere Verantwortung für 20 oder 100 Flüchtlinge übernimmt und täglich ausgehandelt wird, wer Menschen aufnimmt. Das kostet Menschenleben, es wird täglich im Mittelmeer gestorben.
Was können Sie tun, was andere noch nicht getan haben?
Lindh: Ich habe über einen Kontakt mit Seewatch den maltesischen Ministerpräsidenten angeschrieben, mit einem Appell, den Hafen wieder zu öffnen und die Seenotrettungsschiffe wieder auslaufen zu lassen. Er hat auch geantwortet. Es kann nicht sein, dass die Seenotrettung unterbunden wird und die Personen kriminalisiert werden. Ihr Einsatz ist eine kurzfristige Lösung, auf lange Zeit muss man Regelungen darüber finden, welche Häfen offen sind, gibt es Aufnahmezentren und wie werden die Menschen verteilt auf die Länder. Das müsste schon vorgestern geregelt worden sein.
Wie bekommt man den Spagat zum Wahlkreis Wuppertal hin? Wie teilt sich der Arbeitsaufwand auf?
Lindh: Man muss vieles gleichzeitig machen. In Sitzungswochen liegt der Schwerpunkt auf den Berliner Themen. Für Wuppertal sind das Themen wie Fördermittel für die Stadt, aber auch die Probleme einzelner Bürger. Das sind nicht nur bundespolitische Themen. Ich pendele zeitweise auch unter der Woche.
Wie fällt die erste Zwischenbilanz Ihrer Arbeit in Berlin aus?
Lindh: Ich habe zehnmal gesprochen im Parlament, das ist für einen Neuling außergewöhnlich viel. Ich mag die parlamentarische Auseinandersetzung. Ich habe die Wertschätzung unseres parlamentarischen Geschäftsführers Carsten Schneider als Beispiel für einen offensiven und leidenschaftlichen Redner erfahren, das freut einen natürlich. In der Regel rede ich frei und muss bereit sein, alles, was man sich vorbereitet hat, über den Haufen zu werfen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Wuppertaler Rathaus? Von wem geht die Initiative aus?
Lindh: Von beiden Seiten, aber ich habe von Anfang an klargemacht, dass ich mich zu allem melde, was mir wichtig erscheint. Ich melde mich, wenn ich Möglichkeiten für die Stadt sehe und tausche mich regelmäßig mit dem Oberbürgermeister aus. Ich biete an, wünsche aber auch, dass ich darauf hingewiesen werde, wo Bedarf ist. Einen ganz intensiven Austausch gab es zur Förderung von Projekten zum Engels-Jahr oder im nächsten Jahr zu Else Lasker-Schüler und dem Pina Bausch Zentrum – das sind oft mit Geldern verbundene Fragen. Stadtdirektor Johannes Slawig ist federführend für die Planung des Tanzzentrums – dazu gibt es mit ihm einen intensiven Austausch.
Wie ist die Trennung von Intendantin Adolphe Binder in Berlin aufgenommen worden?
Lindh: Mit der Schlammschlacht wie sie in der überregionalen Presse ausgetragen wurde, hat man keine Werbung für das Projekt gemacht. Ich habe gesagt, dass diejenigen, die Dinge in die Öffentlichkeit tragen, das Projekt gefährden. Je schlechter das Konfliktmanagement, desto schlechter sind die Erfolgschancen in Berlin. Ich hatte sehr schnell am nächsten Morgen, als die Nachrichten kamen, Anrufe aus dem Bereich des Kulturstaatsministeriums und der Haushaltspolitiker. Es gab kurz vorher die Entscheidung, 2,2 Millionen Euro an weiteren Planungsmitteln freizugeben, das war mir wichtig, dies zu ermöglichen. Das Zusammenfallen der Entscheidungen in Berlin und Wuppertal ist nicht mit Begeisterung aufgenommen worden. Wir müssen daran glauben, dass es reparabel ist und das entsprechende tun. Bei den Entscheidungen über die Zukunft des Tanztheaters muss man jetzt im Blick haben, dass es Auswirkungen auf das Projekt Tanzzentrum hat. Es ist wichtig, dass möglichst bald personell überzeugende Entscheidungen sichtbar werden. Nach diesem Schlamassel muss deutlich werden, dass die Stadt das Tanzzentrum will und es professionell managt. Denn das Tanzzentrum ist nicht nur für Wuppertal wichtig, sondern hat nationale und europaweite Bedeutung.
Was steht im Herbst in Berlin auf der Tagesordnung?
Lindh: Es geht sofort mit den Haushaltsberatungen für 2019 weiter.
Was steht da für Wuppertal an Themen an?
Lindh: Ein fortlaufendes Thema ist die Frage der Förderung für den Betrieb des Tanzzentrums. In nicht zu ferner Zeit treten wir in eine entscheidende Phase ein. Ich gehe nicht davon aus, dass es eine Entscheidung für den Haushalt 2019 gibt. Es ist noch weit weg, aber Stadt und Land müssen konkreter werden. Welche Betriebsstruktur wird gewählt, ist auch für den Bund eine wichtige Frage. Bund und Land möchten wissen, wie sie beteiligt sind und welche Einflussmöglichkeiten sie haben. Auch wenn es erst Mitte nächsten Jahrzehnts in Betrieb gehen soll, wäre es klug, wenn man einen Haushaltstitel hätte, den man aufwachsend installiert.
Warum haben Sie den Standort Grünewalder Straße für Ihr Wahlkreisbüro gewählt?
Lindh: Das war keine automatisch konfliktfreie Entscheidung, weil die SPD-Wahlkreisbüros traditionell an der Robertstraße liegen. Mir war es aber wichtig, mitten im Leben zu sein, wo es Geschäfte in der Nachbarschaft gibt und Menschen spontan vorbeikommen können. Das ist einladender als im Hinterhaus eines Bürogebäudes.