Hitzefrei für Kellner in der Sonne?
Arbeitsmediziner fordern mehr Schutz für Servicekräfte, die bei der Hitze in der prallen Sonne arbeiten müssen. Gastronomen fürchten ein Bürokratiemonster.
Wuppertal. Wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einem Vorschlag des Ausschusses für Arbeitsmedizin folgt, dann müssen Arbeitgeber, die Service-Mitarbeiter in der Außengastronomie beschäftigen, vermutlich schon im kommenden Sommer erhöhte Anforderungen im Gesundheitsschutz erfüllen. Der Ausschuss plant, dass Mitarbeiter im sogenannten Terrassengeschäft oder im Biergarten je nach Länge ihrer Tätigkeiten durch teils sehr weitreichende Vorsorgemaßnahmen geschützt werden.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sieht den Vorstoß kritisch und zweifelt die Umsetzbarkeit an. Die Fachzeitschrift das „Gastgewerbe Magazin“ hat aktuell eine Online-Petition gestartet, um diese Pläne zu stoppen.
Unzweifelhaft ist, dass die aktuelle Hitzewelle für viele Menschen im Berufsleben erhebliche Probleme mit sich bringt. An manchen Tagen wirken die Innenstädte wie ausgestorben, denn bei Temperaturen jenseits der 30 Grad ist nur wenigen Menschen nach einem Einkaufsbummel zumute.
Da gönnt man sich lieber kühle Getränke im Schatten oder ein Eis unter dem Sonnenschirm. Für Servicekräfte im Außendienst führt der Weg zum Gast aber oft ungeschützt durch die Sonne. Daher sieht der Vorschlag vor, Mitarbeiter, die in den Monaten April bis September an mindestens 40 Prozent der Arbeitstage mindestens drei Stunden zwischen 10 und 15 Uhr besonders intensiver Strahlung ausgesetzt sind, Vorsorge zukommen zu lassen. „Auf jeden Fall aber muss die Arbeit in der Sonne in die Gefährdungsbeurteilung aufgenommen und Möglichkeiten der Prävention (zum Beispiel durch technische Maßnahmen wie Sonnenschirme oder Schichtorganisation) geprüft werden, heißt es aus Berlin.
„Als Verband wollen wir dagegen halten“, sagt Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein. Er sieht eine Bürokratiewelle auf die Gastronomie zurollen. „Wenn es darum geht, die Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern unter einen Hut zu bringen, ist eine innerbetriebliche Regelung die bessere Lösung. Jeder Betrieb müsste ansonsten aufwendig erfassen, welche Mitarbeiter welcher Bestrahlung und wie lange ausgesetzt sind. Da würde ein Bürokratiemonster geschaffen“, sagt Thomas Kolaric.
„Ich möchte wissen, wer sich so etwas nur ausdenkt. In der Gastronomie wird doch praktisch schon alles dokumentiert, bis zum Einsatz der Putzmittel“, sagt Imke Fleischhauer, die mit Salvatore Spinosa das Café Milias betreibt. „Wir wären als Café ,To Go’ von der Regelung zwar nicht betroffen, aber ich kann den Theoretikern in Berlin nur empfehlen, sich die Arbeit in der Gastronomie in der Praxis anzusehen.“
Das Café du Congo weist seit einigen Jahren mit einem Schild auf Kellner hin, die auf dem Weg zu ihren Gästen die Luisenstraße kreuzen. Inhaber Achim Brand hat ebenfalls Zweifel, dass die Dokumentation der Sonnenstunden zu leisten ist. „Wir dokumentieren doch schon unsere Arbeit mit Reinigungslisten, Einkaufslisten, Inventurlisten. Wir listen Allergene in den Speisen auf und vieles mehr. Die Gesundheit von Beschäftigten, die extrem lange der Sonne ausgesetzt sind, gilt es natürlich zu schützen. Zum Glück haben wir ja im Abendbetrieb kaum Sonne“, sagt Achim Brand.
Thomas Kolaric geht die Fürsorge ein Stück zu weit: „Es werden große Räder gedreht, dabei weiß doch jeder Mensch, wie er sich vor der Sonne schützen kann. Dieser Sommer mag eine Ausnahme sein, aber im Grunde reden wir über gefühlte 25 Sonnentage im Jahr.“