Wuppertal Ibrahim: „Man muss auch selbst etwas tun“
Flüchtling Ibrahim kam vor sechs Jahren nach Deutschland. Jetzt ist er ein „gut integrierter Steuerzahler“.
Wuppertal. Niederlassungserlaubnis — das ist das wichtige Wort auf der Ausweiskarte, die Ibrahim stolz zeigt. „Noch ganz neu“, sagt er und lacht. Niederlassungserlaubnis, das heißt, er darf bleiben. Unbefangen und offen wirkt der 22-jährige Wuppertaler mit afrikanischen Wurzeln und antwortet spontan auf die Frage nach dem Befinden: „Es geht mir gut.“
Mehr als sechs Jahre liegen hinter seiner Flucht aus Afrika. Kein Wort Deutsch konnte der Junge, als er 2010 nach monatelanger Odyssee in Wuppertal ankam — er wusste nicht einmal, wohin genau ihn die Flucht aus seiner von Unruhen zerrütteten westafrikanischen Heimat verschlagen hatte.
Den Namen des Landes will er noch immer nicht nennen — zu groß ist die Furcht vor den Männern des dortigen Militärs, die ihn als 15-Jährigen zum Einsatz als Kindersoldat zwingen wollten. Vor drei Jahren berichtete die WZ über das Schicksal Ibrahims, der als einer von vielen kam und als einer von weniger vielen ganz großes Glück hatte. Denn über das Diakonie-Projekt „Do it“ gelangte der damals fast 17-Jährige in die die Obhut der Wuppertalerin Jenny Niemann. Sie kümmert sich als ehrenamtlicher Vormund um den Flüchtling, regelte rechtliche Fragen für ihn, organsierte seine Schulbildung, seine Wohnung — und bringt dem Afrikaner auch immer wieder Eigenheiten und Umgangsformen des neuen Lebens in Wuppertal nahe.
Das scheint jetzt weniger fremd, dank „Mom“, wie er seine deutsche Ersatzmutter nennt. Ibrahim ist mehr als angekommen. Nicht nur hat er Deutsch gelernt und einen Schulabschluss in der Tasche, „sondern Ende Januar sogar seine Ausbildung zum Elektrotechniker Bereich Energie- und Gebäudetechnik erfolgreich beendet“, berichtet Jenny Niemann.
Sie freut sich mit ihrem Schützling, der nahtlos daran anknüpfend eine Anstellung in einem Wuppertaler Unternehmen gefunden hat. „Angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation meinen wir, dass Ibrahim doch ein gutes Beispiel dafür ist, wie aus einem jungen, engagierten Flüchtling schon nach sechs Jahren ein gut integrierter Steuerzahler werden kann“, sagt Niemann. Doch dazu bedürfe es Hilfe und Unterstützung, die von Land und Kommunen noch viel stärker kommen müsste, sagt Niemann. „Schön wäre, wenn auch seitens der Behörden gesehen würde, dass Investitionen in Flüchtlinge sich durchaus auszahlen können.“ Ibrahim ist sich seiner privilegierten Situation bewusst. „Ich hatte Glück.“ Zu Anfang habe er erst verstehen lernen müssen, dass sein Vormund ihn nicht bevormunden, sondern motivieren wollte: zur Schule zu gehen, zu pauken, am Ball zu bleiben, pünktlich zu sein. Besonders wohl fühlte er sich dann am Berufskolleg Haspel, würde am liebsten jedem einzelnen dort für die Unterstützung danken: „Weil das sehr gute Lehrer sind, die sich kümmern und mir richtig geholfen haben.“ Sie hätten ein Klima guten Miteinanders unter den Schülern geschaffen. „Es gab keinen Rassismus, wir kamen aus unterschiedlichsten Ländern und waren trotzdem ein bisschen wie eine Familie.“ Für alle Flüchtlinge hat Ibrahim eine Botschaft: „Wenn jemand da ist, der hilft, dann muss man selbst mitmachen. Flüchtlinge sollten verstehen, dass man nicht nach Deutschland kommen kann, und dann gibt es alles einfach so.“