Wuppertal „Ich sehe keine Notwendigkeit, in der Stadt ein Auto zu haben“

Der eigene Pkw ist für viele unverzichtbar. Doch es gibt auch Menschen, die ohne leben. Wie, das hat die WZ drei Wuppertaler gefragt.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. „Wir haben einfach keinen Bedarf“, sagt Haiko Falk (34) selbstbewusst. Er, seine Frau und ihre vierjährige Tochter Alice kommen gut ohne eigenen Pkw aus. Sie wohnen ganz in der Nähe von Haiko Falks Arbeitsplatz. „Wir haben die Wohnung auch danach ausgesucht, dass ÖPNV und Einkaufsmöglichkeiten gut erreichbar sind“, erklärt der Familienvater. Er kommt mit dem Bus oder auch zu Fuß zur Arbeit: „Man darf nicht fußfaul sein“, sagt er.

Den Großeinkauf schaffen sie auch so: „Wir gehen einmal in der Woche mit zwei großen Taschen zum Discounter.“ Darüber hinaus lassen sie sich von einem Bioladen beliefern. Auch in der Freizeit fehlt ihnen das Auto nicht: „Wir machen viel in der Nähe, fahren auch mal mit dem Bus oder Zug“, sagt Haiko Falk. „Kinder wollen doch am liebsten auf ihren gewohnten Spielplatz.“

Ab und zu, zum Beispiel für Besuche bei Alices Großeltern in Bochum, nutzen sie ein Carsharing-Auto, ebenso für den Urlaub. Haiko Falk fährt zwar manchmal gern Auto, aber: „Manche verbinden Auto mit Freiheit. Ich habe das nie nachvollziehen können.“ Stau und Parkplatzsuche empfindet er als das Gegenteil. Radfahren ist für ihn keine Option: „Das ist mir in Wuppertal zu gruselig.“

Das ist bei Joachim Carlsdotter (53) anders. Er fährt seit seiner Kindheit fast überall mit dem Fahrrad hin: „Ich bin in Schleswig-Holstein aufgewachsen, da ist das üblich.“ Als er mit neun Jahren nach Wuppertal kam, hat er so weiter gemacht - trotz der Hügel.

Seine Frau fährt ein Auto, aber Joachim Carlsdotter bevorzugt das Rad. Beim Einkaufen packt er seine Satteltaschen voll, auf seinen Frontgepäckträger passt sogar ein Kasten Bier — „das lässt sich alles gut bewerkstelligen“. Die heute erwachsenen Kinder hat er im Kindersitz zur Kita gebracht, zur Arbeit fährt er auch im Sattel — früher bis nach Solingen, heute vom Ölberg bis in die Innenstadt. „Mit dem Auto würde es länger dauern.“

Er schimpft über die schlechte Radweg-Situation in Wuppertal: „Ein Witz!“ und findet den Vorschlag des Wuppertal-Instituts gut, die Elberfelder Innenstadt autofrei zu gestalten. Er engagiert sich bei der IG Fahrradstadt und der Critical Mass und würde am liebsten seinen Lebensunterhalt mit Radeln verdienen: Bisher sind die Einnahmen mit seinem Velotaxi aber nur ein Nebenverdienst.

Die Kritik an der Situation der Radfahrer teilt Frank ter Veld (42), Mitglied der Grünen und im Verkehrs- und im Umweltausschuss: Die besten Wege müssten sich Radler mühsam suchen. Er ist trotzdem viel mit dem Rad unterwegs, ebenso wie seine Freundin und ihre gemeinsame Tochter Lotta (9). Die finde das toll, sagt der Vater: „Sie kann alles selbst machen, sitzt nicht passiv im Auto.“

Er kommt aus den Niederlanden, kennt von dort das Fahrrad als selbstverständliches Verkehrsmittel. Fragen, ob er auch bei Regen das Rad nehme, höre er nur in Deutschland, sagt er. Hier werde Radfahren wie ein Sport betrachtet, daher kämen auch die Fragen, ob man nicht verschwitzt irgendwo ankomme. „Man kann einfach relaxt fahren.“

Früher fuhr mit Zug und Rad bis zur Uni Bochum, jetzt ist er in wenigen Minuten am Berufskolleg Haspel. Dabei, so betont er, kann er die Strecke auch zu Fuß gehen. Überhaupt sei in Wuppertal vieles zu Fuß gut zu erreichen. „Ich sehe keine Notwendigkeit, in der Stadt ein Auto zu haben.“

Auch Fragen, wie er ohne Auto einkauft, bringen ihn zum Schmunzeln: „Man wirft alles in die Fahrradtaschen.“ Für eine Party lassen sie sich manchmal Getränke liefern. Und sonst nutzen sie einen Wassersprudler: „Das spart viel Schleppen.“

Was er durch den Autoverzicht gewinnt? „Ich wäre sicher etliche Kilo schwerer und weniger gesund. Außerdem nehme ich meine Umwelt anders wahr, kann in Kontakt treten. Und es ist eine gewaltige finanzielle Entlastung.“