„Judas verdient eine zweite Chance“

Die WZ sprach mit Calogero Gagliardi in seiner Rolle als Judas Iskariot über Verrat, Vergebung und den Film von Mel Gibson.

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Calogero Gagliardi stellt seit seinem 18. Lebensjahr biblische Figuren bei den Passionsspielen der Karfreitagsprozession im Deweerthschen Garten dar. Er schlüpfte bereits in die Rollen von Jesus, Pontius Pilatus und — in diesem Jahr — Judas. Für die WZ verwandelte sich Gagliardi schon vor dem Karfreitag in den berühmten „Erzverräter“ und stellte sich unseren Fragen.

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Judas Iskariot, Sie sind landläufig als Verräter bekannt, der die Festnahme Jesus Christus ermöglichte. Wie kam es dazu?

Judas Iskariot: Die Hohepriester wollten Jesus Christus, der viele Menschen überzeugt hatte, beseitigen. Mir wurde Geld geboten, um Jesus auszuliefern. Ich war sein Jünger. Ein Freud. Ich habe mich aber von dem Geld verleiten lassen.

Bereuen Sie diese Entscheidung?

Judas: Ja, hätte ich gewusst, dass die römischen Soldaten Jesus ans Kreuz hängen, hätte ich das nicht gemacht. Die Auswirkungen waren mir so nicht bewusst. Schließlich war Jesus für uns der Messias. Wie hätte ich wissen können, dass ihm etwas passieren würde?

Wird Ihre Rolle in der biblischen Geschichte missverstanden?

Judas: Ich glaube schon. Ich bin nicht der Bösewicht für den mich alle halten. Jeder Mensch wird einmal schwach. Ich habe mich von dem Geld locken lassen. Das ist menschlich.

Sie wurden als Sündenbock für den Tod Jesu ausgemacht. Im Mittelalter wurden Judas-Puppen verbrannt. Wenn sich die Öffentlichkeit so auf eine Person einschießt, nennt man das heute „Shitstorm“ . Wie lässt es sich mit so einer Situation umgehen?

Judas: Man kann daran nichts ändern und muss es aushalten. Auch der Rachegedanke ist menschlich.

Sollte man Ihnen vergeben?

Judas: Auf jeden Fall. Für den, der als Christ die Botschaft Jesu verstanden hat, erübrigt sich die Frage. Jeder Mensch verdient eine zweite Chance. Manchmal auch eine dritte.

Würde das auch Jesus so sehen?

Judas: Jesus hat mir bereits vergeben, als ich ihm im Garten Gethsemani einen Kuss gegeben habe, um ihn vor den Römern zu identifizieren. Er sprach mich in diesem Moment mit „Mein Freund“ an.

Wie ist es, mit dieser Schuld zu leben?

Judas: Ist der Lauf der Dinge meine Schuld? Jesus wäre mächtig genug gewesen, um sein Schicksal verhindern zu können. Aber er hat sich nicht gewehrt.

Ihre Geschichte ist unzählige Male in Büchern und Filmen aufgegriffen worden. Welche Betrachtung gefällt Ihnen am besten und warum?

Judas: Ich finde den Film „Die Passion Christi“ von Mel Gibson gut, auch wenn der Fokus nicht auf der Judas-Geschichte liegt. Mich hat aber die Authentizität, die Sprache und die Brutalität gepackt. Der Film hat gezeigt, dass Jesus auch gelitten hat. Er hatte eben auch eine menschliche Seite.