Karin Ziegler und der schleichende Verlust der Sehkraft

Karin Ziegler lebt mit Retinitis Pigmentosa. Irgendwann wird sie erblinden.

Wuppertal. „Tunnelblick mit Durchblick“ so bezeichnet Karin Ziegler ihr heutiges Sehvermögen. 1990, als sich ihr Sehvermögen stetig verschlechterte, pochte die Diplom-Bibliothekarin aus Thüringen bei Ärzten in der ehemaligen DDR auf eine Überweisung in die Klinik nach Göttingen. Erst dort erfuhr sie 1992 den genauen Namen ihres Leidens — Retinitis Pigmentosa (RP).

Ein Flyer von der Selbsthilfegruppenvereinigung Pro Retina Deutschland veränderte ihr Leben. Retinitis Pigmentosa ist der Oberbegriff für eine Gruppe degenerativer, unheilbarer Augenkrankheiten, die eine Zerstörung der Netzhaut — des sehfähigen Gewebes am Augenhintergrund — zur Folge haben.

Im Verlauf treten Beschwerden wie Nachtblindheit, Gesichtsfeldeinschränkungen mit Röhren- und Tunnelblick, gestörtes Kontrast- und Farbsehen, sowie nachlassende Sehschärfe bis zur Blindheit auf. Der Prozess verläuft schleichend, oder schubweise und erstreckt sich meist über Jahrzehnte.

Mit diesem niederschmetternden Krankheitsbild zog Karin Ziegler 1995 nach Wuppertal und engagierte sich bei Pro Retina Deutschland. 1997 gründete sie die Regionalgruppe Wuppertal, der heute etwa 77 Mitglieder aus dem Bergischen Land angehören.

„Wenn Sie wissen, dass Sie irgendwann erblinden, dann brauchen sie Hilfe.“ Und die suchte sich Karin Ziegler in psychologischer Behandlung sowie im Kontakt mit anderen Betroffenen. „Wenn etwas wegfällt, öffnen sich Türen — man lernt, alle Sinne des Körpers zu nutzen.“ Karin Ziegler fing an zu schreiben.

Eine Teilnahme an der Schreibwerkstatt der Bergischen Volkshochschule und die Mitgliedschaft im Schreibzirkel „BLAutor — Arbeitskreis blinder und sehbehinderter Autoren“ gaben ihr Lebensmut. „Es gibt keine Behandlungstherapien für die Krankheit, aber die Bandbreite von Hilfsmitteln ist enorm“, bemerkt Ziegler.

„Vom Blindenstock, bis zu technisch versierten Computerprogrammen — Möglichkeiten, sich zu orientieren, sind da“, betont die engagierte Frau und weiß aus der Gruppe: „Viele Betroffene singen im Chor, lernen ein Instrument oder reiten.“

Karin Ziegler engagiert sich im Bereich Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung in Wuppertal. Mal mit einer Brille aus Pappe — „da ist nur ein kleiner Ausschnitt zum Durchschauen“, — der Nichtbetroffenen zeigen soll, wie ein Mensch mit RP sieht. Zum anderen beklagt sie heutige Modetrends von Schriftzeichen in der Öffentlichkeit. „Weiße Schrift auf hellblauem Untergrund oder rosa Untergrund — die Kontraste fehlen. Kein sehbehinderter Mensch kann solche Informationen lesen, auch wenn sie noch so groß sind.“

Wer die Lebenswelt sehbehinderter Menschen nachvollziehen will, der kann das derzeit auch in der Färberei tun: Am Stennert 8 ist bis zum 3. März die Fotoausstellung „Leben ist anders und doch nicht anders“ von Pro Retina mit Lebenswirklichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen zu sehen.