Kein normaler Abend mit Hélène Grimaud

Die berühmte Pianistin begeisterte am Mittwochabend in der Stadthalle.

Foto: Mat Hennek

Wenn Konzertgänger vor und nach Vorstellungen gesundheitlich topfit zu sein scheinen, sie währenddessen aber vom Hustenkoller übermannt werden, geht es in der Regel auf Bühnen atmosphärisch intim-leise zu. Genau so verhielt es sich, als die weltberühmte französische Pianistin Hélène Grimaud im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr im voll besetzten Großen Saal der Stadthalle gastierte. Diese Nebengeräusche störten gewaltig.

Längst war überall angekündigt, dass die Grimaud nicht vorhat, einen normalen Klavierabend zu geben. Trotzdem wunderten sich manche, dass der große Konzertflügel vor einer riesigen LED-Wand und darauf projizierte Bäume, klein wirkte. Die Vorhänge waren zugezogen. Dann ging die Beleuchtung aus, und Grimaud setzte sich schlicht an das Instrument, ohne irgendein Aufhebens um ihre eigene Person machend. Das „Wasserklavier“ Luciano Berios erfüllte nun dezent das weite Rund. Leider hörte man schon vorne in Reihe sechs wegen der Hustenwelle nicht jeden Ton.

Doch von Anfang an war ganz klar, worum es ging: Musik und Bilder interagierten. „Woodlands and Beyond …“ heißt das Projekt, das nach der erfolgreichen Uraufführung im April 2017 in der Hamburger Elbphilharmonie und danach andernorts jetzt auch auf dem Johannisberg genossen werden konnte. Fotograf Mat Hennek, mit dem Grimaud seit 13 Jahren liiert ist, schuf traumhaft schöne Bilder: Wälder, teils sich wie Kathedralen in den Himmel emporstre-ckende Bäume, Wasserland-schaften. Und natürlich der Wolf, Grimauds Leidenschaft.

Dazu gab es acht klassische Klavierwerke, die das Wasser zum Thema haben: neben Berios Stück solche von Tóru Takemitsu, Gabriel Fauré, Mau-rice Ravel, Isaac Albéniz, Franz Liszt, Leo Janàcek und Claude Debussy. Dazwischen wurden quasi als Interludien Nitin Sawhneys sieben „Transitions“ - minimalistische, elektronische Klangteppiche - aus Lautsprechern zugespielt, die wunderbar zu den tradierten Kompositionen passten.

Stetig im Fluss befand sich die Musik, wie die langsam-fließenden Überblendungen der Bilder. In Zeitlupe änderten sich auch deren Farben und Kontraste. Man wurde kaum gewahr, wann das eine Bild endet, das andere beginnt. Außerordentlich sensibel, mit einer sehr nuancierten Anschlagskultur und einer differenzierten Verwendung des rechten Pedals, ging dabei Grimaud mit der teils pianistisch hochgradig schweren „Wassermusik“ um. Etwa rieselten Ravels und Liszts Wasserspiele, zart tröpfelte Takemitsus „Rain Tree Sketch II. Es war nicht nur eine Interaktion zwischen zwei Genres. Vielmehr gingen Musik und Bilder im Laufe etwa einer Stunde eine kongeniale Symbiose ein. Alles wurde miteinander verwoben.

Das verstand das Publikum nach und nach, dessen Störgeräusche immer mehr abnahmen. Es forderte zwar qua seines lang anhaltenden frenetischen Schlussapplauses eine Zugabe. Doch Grimaud ließ sich verständlicherweise nicht erweichen. Was hätte sie nach diesem stimmigen, in sich geschlossenen, innigen Programm noch spielen sollen?