Wuppertal Kindeswohl: Das Jugendamt muss seltener eingreifen

Das Bewusstsein für die Gefährdung von Kindern ist hingegen gewachsen: Die Zahl der Meldungen durch Polizei, Schule und Kitas hat sich fast verdoppelt.

Das Jugendamt greift ein, wenn es bei Eltern eingeschränkte erzieherische Fähigkeiten feststellt.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Wenn das Wohl eines Kindes gefährdet ist, bleibt dem Jugendamt häufig nur noch, das Kind aus der Familie herauszunehmen. Manchmal bitten aber auch Eltern selbst das Jugendamt um Hilfe. Auch dann können Kinder in Pflegefamilien untergebracht werden.  Inobhutnahme nennt sich dieses Verfahren im Jugendsamtsdeutsch. Deutschlandweit ist die Zahl der Inobhutnahmen im Zeitraum von 2008 bis 2017 von 60000 auf 81000 Kinder und Jugendliche gestiegen wie eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag ergab. In Wuppertal ist die Zahl der Inobhutnahmen gesunken, von 512 im Jahr 2010 auf 396 im Jahr 2017.

Warum das so ist, kann die Leiterin des städtischen Jugendamtes, Christina Roddewig-Oudnia, nur vermuten: „Die Bevölkerung ist insgesamt aufmerksamer geworden. Dadurch sind die Möglichkeiten größer geworden, dass wir frühzeitig eingreifen können.“ Das heißt, wenn das Jugendamt eine eingeschränkte erzieherische Fähigkeit feststellt und wenn keine akute Kindeswohlgefährdung vorliegt, werden Maßnahmen ergriffen, um die Familie zu unterstützen. „Wir schauen, wie die Familie sozial eingebunden ist, also wer kann aufpassen, dass den Kindern nichts passiert“, sagt Roddewig-Oudnia. Zudem wird eine Hilfe zur Erziehung installiert, die Eltern und Kinder unterstützt.

Die Bevölkerung scheint sensibilisiert zu sein: Die Zahl der Meldungen wegen einer möglichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen in ihren Familien hat sich in Wuppertal seit 2010 von 540 auf  1035 im Jahr 2017 fast verdoppelt. Zwischen 2016 und 2017 stieg die Zahl dabei um fast ein Viertel (24 Prozent). Die deutliche Zunahme der Meldungen geschah vorwiegend durch Polizei, Schule und Kitas. Die Häufigkeit von Kindeswohlgefährdungsmeldungen mit den entsprechenden Inobhutnahmen ist in den östlichen Stadtteilen von Wuppertal grundsätzlich höher.

Allerdings sei der Anstieg der Meldungen noch kein Indiz dafür, dass die Zahl der Vergehen oder problematischen Lebensumstände in den Familien signifikant nach oben gegangen sei. Die Zahl der Inobhutnahmen sind seit 2010 deutlich zurückgegangen, beziehungsweise in den vergangenen fünf Jahren relativ konstant geblieben. 2017 wurden knapp 400 Kinder und Jugendliche aus Wuppertal zumindest vorübergehend aus ihrer Familie geholt und an einem anderen Ort untergebracht.

Anzeichen für körperliche
oder psychische Misshandlung

Die häufigsten Gründe, warum Kinder  und Jugendliche in Wuppertal vorläufig in Schutz genommen werden, sind Anzeichen für körperliche Misshandlung, Vernachlässigung und psychische Misshandlung. Dabei handelt es sich öfter um Kinder aus Familien mit Alleinerziehenden oder aus Familien die Transferleistungen wie SGB II beziehen. „In Familien, in denen finanzielle Mittel knapp sind, ist das Risiko größer, dass es zu Streit und Überforderung kommt“, sagt Roddewig-Oudnia. Andererseits haben sozial schwache Familien generell häufiger mit Behörden zu tun, die dann auch auf diese Familien eher schauen. „Was in einer Arztfamilie passiert, bekommt keiner so schnell mit“, sagt die Jugendamtsleiterin.

Für Kinder, die in Obhut genommen werden, gibt es drei Stellen. Für Kinder unter 14 Jahren ist die Kindernotaufnahme zuständig, die an ein Kinderheim angeschlossen ist. Die Kinderschutzstelle kümmert sich um Kinder ab 14 Jahren bis zur Volljährigkeit. Kleine Kinder werden in Familien aufgenommen, die zur Bereitschaftspflege gehören. Manchmal gibt es Verwandte, die sich kümmern können. Eine Inobhutnahme heißt aber nicht, dass die Kinder dort dauerhaft bleiben.