Bunkerführung „Unter Tage ist mein natürlicher Lebensraum“
Ostersbaum. · Klaus Stein hat unzählige Fotos aus Bunkern, Stollen und Höhlen gemacht. Jetzt organisiert er Führungen durch den Bunker an der Paradestraße.
Klaus Stein kann man gut am Felsenbunker in der Paradestraße treffen. Denn „unter Tage“ liegen die Orte, die den Fotografen faszinieren. „Unter Tage ist mein natürlicher Lebensraum“, sagt Stein im Scherz – und trifft dennoch den Nagel auf den Kopf.
Viele verbinden seinen Namen mit dem Tiefbunker am Döppersberg, der zurzeit zum Musikclub umgebaut wird. Die Bauarbeiten dokumentiert Stein seit März 2018 mit seiner Kamera. „Die erste Zeit war ich täglich bis zu sieben Stunden an der Baustelle“, berichtet er. Neben mehreren hundert Videos habe er mittlerweile mehr als 30 000 Fotos gemacht.
Früher hätte der Wuppertaler wohl selber nicht gedacht, dass er einmal als „Unter Tage“-Fotograf unterwegs sein würde. Lebhaft erinnert er sich an den allerersten Erkundungsgang: „Im ersten Bunker stand einem das Wasser bis zum Bauchnabel. Das waren die härtesten anderthalb Stunden meines Lebens!“
Hoch- und Tiefbunker, Stollen und Höhlen hat Stein fotografiert. Eine Auswahl ist im Bunker Paradestraße ausgestellt. Doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was er Besuchern zeigen kann. Seit drei Jahren bietet er Führungen durch das Gangsystem an, das sich fast 200 Meter durch den Paradeberg zieht.
800 Menschen sollten im Zweiten Weltkrieg dort Platz haben
Auch wenn der Berg um die 30 Millionen Jahre alt ist – Stein konzentriert sich auf den Bunker. Dieser wurde bei den Vorbereitungen auf den Zweiten Weltkrieg in den Felsen gesprengt. Damit bis zu 800 Personen Platz fanden, schuf man Räume mit Sitzgelegenheiten und Belüftungsanlagen, die per Hand angetrieben werden mussten.
Um die Fakten gut rüberbringen zu können, hat sich der ehemalige Kfz-Mechaniker in das Thema förmlich hineingegraben. Fleißig hat er Akten im Stadtarchiv gewälzt und über Wuppertal im Zweiten Weltkrieg sowie die Zustände in den Bunkern nach 1945 recherchiert. „Wenn man mich Hobby-Forscher nennt, passt das schon. Es ist wirklich eine Sisyphusarbeit“, sagt Stein.
Der Felsenbunker erlebte seine Bewährungsprobe in der Nacht zum 25. Juni 1943, als die britische Luftwaffe Elberfeld bombardierte. Am Ende zählte man 1900 Tote. Zerstört wurde auch die über dem Bunker stehende Kirche Sankt Petri. Zur Bombennacht wollte Stein vor Ort ursprünglich Info-Tafeln anbringen, „aber erfahrungsgemäß verlieren die Leute nach zwei, drei Tafeln das Interesse und lesen nicht weiter. Ich sehe, dass Vertonungen der Ereignisse besser aufgenommen werden.“
Tatsächlich rennen einem kalte Schauer über den Rücken, wenn der Guide im nur von wenigen Lichtern erhellten Gang einen Zeitzeugenbericht abspielt. Stein selbst erlebt bewegende Momente, wenn Überlebende des Luftangriffs bei seinen Führungen mitgehen.
Wechselvoll war auch die Nachkriegsgeschichte. Eine weitere Tonaufnahme zeugt davon, dass im Bunker noch bis Mitte der 50er Jahre Menschen in prekären Verhältnissen lebten. Bessere Zeiten herrschten von 1984 bis 1987, als die Weinhandlung Max Wehr hier den „Felsenkeller“ unterhielt – einen Getränkeausschank mit Sitzplätzen und bunt dekorierten Tischen. Dank Bildern, die ihm die Familie Wehr zur Verfügung gestellt hat, kümmert sich Stein um die Rekonstruktion des „Felsenkellers“. „Ich will es so gut wie es geht in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen.“
Auch sonst hat er genug zu tun. „Für die Ausstellung möchte ich noch weitere Bunker besichtigen und fotografieren.“ Zudem bietet er ab 15. August wieder Führungen unterm Paradeberg an. Um die Anti-Corona-Vorschriften zu erfüllen, wird die Tour nur mit jeweils zehn Personen stattfinden. Neben Taschenlampe und festen Schuhen müssen Teilnehmer zusätzlich an Maske und Handschuhe denken.