Engagement Körbchen und Kleider für Sternenkinder
Wuppertal · Mandy Kremer und ihre Mitstreiterinnen nähen, häkeln und basteln für Kinder, die vor, bei oder nach der Geburt gestorben sind - und wollen das Thema vom Tabu befreien.
So manches Elternpaar erlebt die Geburt seines Kindes nicht als pures Glück. Einige hoffen bange Wochen auf das Überleben ihres zu früh geborenen Kindes, andere müssen sich gleich verabschieden, weil das Kind während der Schwangerschaft, der Geburt oder kurze Zeit später gestorben ist. Diesen Eltern mit passender Ausstattung für die winzigen Kinder sowie mit liebevoll gestalteten Erinnerungsstücken zu helfen, haben sich Mandy Kremer (36) und zahlreiche Mitstreiterinnen verschrieben. Sie nähen, häkeln und basteln und geben ihre Werke Geburtskliniken.
„Sternenzauber und Frühchenwunder“ haben sie den Verein genannt, den sie vor zwei Jahren gegründet haben. Mitglieder sind Frauen in ganz Deutschland, die aus eigener Erfahrung die Traurigkeit beim Verlust des Kindes kennen oder einfach aus Engagement dabei sind. Sie produzieren ehrenamtlich, allein oder bei Treffen, kleine Bodys und Mützchen, Decken und Kissen, Stoffherzen oder Schlüsselanhänger, gedacht als Grabbeigaben und Erinnerungsstücke für die Eltern, die diese kostenlos erhalten.
„Es gibt für so kleine Kinder keine Kleidung. Deshalb sind die Eltern so dankbar, wenn die Klinik ihnen etwas anbietet“, erklärt Mandy Kremer. Erinnerungsstücke können die Eltern bei sich tragen, in der Hosentasche, am Schlüsselbund. Oft gibt es sie im Doppelpack: eins fürs Grab, eins für sich - so fühlen sie sich verbunden mit ihrem „Sternenkind“. So nennen viele die Kinder, die so früh „zu den Sternen ziehen“.
Die mitfühlende Umgang mit trauernden Eltern ist nicht selbstverständlich, noch immer ist das Thema ein Tabu. Einerseits spricht man nicht darüber - Nina Schmidt (29) kennt ungeduldige Kommentare, wenn sie mal wieder an ihr verlorenes Kind denkt. „Die fragen dann: Ist jetzt nicht mal gut?“ Und andererseits wurden bis vor kurzer Zeit viele solcher Kinder in den Kliniken „entsorgt“.
Erst seit 2013 gelten Kinder unter 500 Gramm als Menschen
Den Eltern fehlt dann der Moment des Abschieds und ein Grab zum Trauern. Erst seit 2013 gelten auch Kinder von unter 500 Gramm Gewicht als Menschen - seither können sie mit Namen ins Stammbuch eingetragen und beerdigt werden. Mandy Kremer betont, Wuppertal sei da „sensationell“: Hier könnten alle Kinder beerdigt werden. „In vielen Kliniken gibt es dafür gar kein Bewusstsein.“
Sie selbst kam auf das Thema, als sie darauf hoffte, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden. „Ich habe mich dann bei jedem Versuch gefragt: Warst du schwanger oder nicht?“ Bei der Suche im Internet zu dem Thema lernte sie überrascht, wie viele Eltern betroffen sind: „Jede dritte Schwangerschaft endet vor der 40. Woche“, sagt sie. „In Wuppertal sind das 800 bis 1000 Kinder im Jahr.“
Ihre Zwillinge Oskar und Michel toben heute fröhlich durch Garten und Haus. Aber das Thema hat sie nicht losgelassen. Bei Facebook fand sie Frauen, die mit Handarbeiten betroffenen Müttern und Vätern helfen. Daraus entstand der Verein, sie erklärte sich bereit, den Vorsitz zu übernehmen. In ihrer Küche stapeln sich Körbchen und Kleidung, Herzen und Anhänger, die sie zugeschickt bekommt und die sie in die Wuppertaler Geburtskliniken und die Sternenkinderambulanz bringt.
Die beteiligten Frauen verbindet nicht nur das gemeinsame Kreativsein. Für sie ist der Austausch über die sozialen Medien und bei den Treffen sehr wichtig. Denn hier gilt das Tabu nicht: „Hier kann man offen sprechen, man kann erzählen, ich habe heute an mein Kind gedacht“, sagt Nina Schmidt. Und gemeinsam lachen auch.