Wuppertal Kopfsteinpflaster: Spagat zwischen Historie und Barrierefreiheit

Wuppertal · Der Straßenbelag hat in Wuppertal viele Fans, aber auch Kritiker. Die Stadt will ihn dort erhalten, wo es möglich ist – auch wenn die Pflege aufwändiger ist.

In der Neuen Friedrichstraße steht das Kopfsteinpflaster auf dem Prüfstand. Nicht überall wird es erhalten bleiben können.

Foto: Fischer, Andreas

Die Neue Friedrichstraße in der Elberfelder Nordstadt wird Fahrradstraße. Gebaut wird dort schon jetzt, die WSW verlegen neue Kanäle. Doch was wird aus dem Kopfsteinpflaster? Nur ein verschwindend kleiner Teil von Wuppertals Straßen trägt überhaupt noch solch einen Belag. 0,4 Prozent sind es — oder anders ausgedrückt: 40 000 von stadtweit insgesamt gut 10 000 000 Quadratmetern Verkehrsfläche. Fans heben den nostalgischen Charme hervor, Kritiker sprechen dagegen von Huckelpisten und Lärmbelästigung. Haben die Kopf- oder Natursteinpflaster noch eine Zukunft in Zeiten, in denen über Barrierefreiheit, Fahrradstadt 2025 und immer wieder die klammen Finanzen Wuppertals diskutiert wird?

Ein klares „Ja“ gibt es dazu von Verkehrsdezernent Frank Meyer. Ebenso klar ist aber: Der Unterhalt solcher Beläge ist teurer als der von asphaltbeschichteten Straßen. Und, so Meyer, „beißen sich“ die Ansprüche. Es sei oft eine Einzelfallprüfung. Auch finanziell gebe es keine Standardwerte. Es sei zum Beispiel abhängig davon, in welchem Zustand sich die noch vorhandenen Steine befinden. Wenn das Pflaster rausgenommen werden soll, geschehe das aber in Absprache mit der Politik, sagt Meyer und verweist auf das Beispiel Emilienstraße.

Für den Bereich Neue Friedrichstraße sprach sich die Stadt für einen Kompromiss aus, dem auch die Politik zustimmte: Rund um die Kirche Kopfsteinpflaster ja, im restlichen Bereich nein. Dort wird oder wurde bereits asphaltiert. Der Behindertenbeirat sieht allerdings noch Gesprächsbedarf, sagt der 2. Vorsitzende Jörg Werner. Man sei nicht prinzipiell gegen Kopfsteinpflaster. Aber für den Bereich rund um die Diakoniekirche müsse die Stadt „die Steine wie zugesagt abfräsen“, betont Werner. Denn die Fugen seien so wie bisher nicht mehr tragbar, erklärt Werner, nicht für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen. „Das ist eben nicht barrierefrei.“ Sein Vorschlag: Wenn es denn zu teuer sei, müsse die Stadt zumindest für einen abgefrästen Streifen sorgen.

In Teilen soll das Kopfsteinpflaster bearbeitet werden

Meyer bestätigt, dass es ein aufwändiges Verfahren sei, Flächen anzuschleifen, sowohl finanziell als auch technisch. Aber für den Bereich rund um die Kreuzkirche werde man das versuchen. „Man muss sich rantasten.“ Ein gelungenes Beispiel gebe es in Basel vor dem Dom, wo in den Fahrspuren angeschliffen worden sei. „Man merkt es, aber man sieht es nicht“, lobt Meyer.

Auch Bernd Engels, Vorsitzender des Beirates, nimmt die Verwaltung in die Pflicht. An vielen Stellen sei das Pflaster nicht mehr gut verfugt, weil seit Jahren nichts mehr gemacht würde, sagt er, und nennt Bereiche der Barmer City als Beispiel. „Ohne Hängenbleiben kommen Sie da mit einem Rollstuhl eigentlich nicht durch.“

Die Einschätzung des Beirates teilt die Fahrradlobby. Kopfsteinpflaster sei für Radfahrer grundsätzlich kein Problem, sagt Klaus Lang vom ADFC Wuppertal, „wenn es gut verlegt ist“. Daran hapere es aber an vielen Stellen, bestätigt Christoph Grothe von der IG Fahrradstadt. Die Luisenstraße im Bereich zur Briller Straße hin sei ein Beispiel, das Radler immer wieder nennen würden, oder das Kopfsteinpflaster am Unterbarmer Bahnhof.

Der Kompromiss für die Neue Friedrichstraße sei eine gute Lösung, so Grothe. Niemand wolle, dass das komplette Pflaster wegkommt. Dass auch rund um die Kirche abgefräst werden muss, sei notwendig. Das gelte eigentlich für alle Bereiche in Wuppertal, „um das Kopfsteinpflaster auch fahrradtauglich zu machen“. In anderen Städten funktioniere das, etwa in Kopenhagen. In der dänischen Hauptstadt, die von Radfahrern gerne als Vorbild genommen wird, gebe es viele Straßen mit Kopfsteinpflaster, das bearbeitet wurde. Trotzdem, so Grothe, „ist der Altstadt-Charme geblieben“.

Ein Teil des Kopfsteinpflasters an der Neuen Friedrichstraße wird aber definitiv verschwinden. Im Bereich zwischen Markomannenstraße und Kirche ist das bereits passiert. Die Arbeiten für den Teil zwischen Markomannen- und Wiesenstraße stehen noch aus. Dort ist das Pflaster allerdings zum Teil unter einer Asphaltschicht verschwunden. Ergebnis einer provisorischen Ausbesserung, die schon länger zurückliegt. „Es wird geflickt, geflickt und noch mal geflickt“, ärgert sich Anwohnerin Ulrike Mös. Auch Meyer räumt ein, dass in der Vergangenheit zu leichtfertig „einfach Asphalt drüber geschmiert wurde“. Mös kritisiert, dass jetzt nicht über einen Erhalt der Steine nachgedacht wird. Sie hatte dafür sogar einen — dann abgelehnten — Bürgerantrag gestellt. Es seien „handbehauene große Natur-Steine“, hebt sie im Gespräch mit der WZ hervor. „Die Bebauung dort ist schön, das passt.“ Für Radfahrer und Rollstuhlfahrer könnte stattdessen ein Streifen asphaltiert werden. So bleibe insgesamt aber „ein Stück Atmosphäre“.