Ausländerbehörde Kritik an geplanter Abschiebung von Wuppertal nach Gambia: 24-Jähriger erst einmal wieder frei

Update | Wuppertal · Ein 24-Jähriger Mann aus Gambia, der sehr seit fast sieben Jahren in Wuppertal lebt, soll abgeschoben werden – ein Bündnis übt Kritik. Der NRW-Petitionsausschuss wird sich mit dem Fall beschäftigen – bis dahin ist die Abschiebung ausgesetzt.

Ressortleiter Hans-Jürgen Lemmer und Pierre Breeckmann, ein Freund des 24-Jährigen, bei der Solidaritätskundgebung.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Ebrima ist erst einmal wieder frei. „Ich bin total überwältigt, das war das beste, was heute passieren konnte“, sagt Antonia Lammertz. „Ich weiß aber auch, dass es noch nicht das Ende der Geschichte ist.“ Doch die gewonnene Zeit sei wertvoll.

Gut zwei Stunden vor der erlösenden Nachricht stand sie vor der Ausländerbehörde, bei einer Solidaritätskundgebung. Für Ebrima M., der zu diesem Zeitpunkt in Ausreisegewahrsam in Büren war. Der 24-Jährige, der vor fast sieben Jahren als Flüchtling nach Wuppertal kam, soll nach Gambia in Westafrika abgeschoben werden.

Am Montag sollte er zur Ausländerbehörde kommen, seinen Miet- und Arbeitsvertrag sowie Gehaltsabrechnungen vorlegen. Das sei ein Vorwand gewesen, heißt es vom Bündnis, das zur Solidaritätskundgebung aufgerufen hat; dazu gehören Antonia Lammertz, andere Freunde des 24-Jährigen, mehrere Initiativen, Vereine und Parteien. Am Montag hätten in der Ausländerbehörde mehrere Polizisten auf ihn gewartet, ihn Handschellen sei er erst auf die gegenüberliegende Gerichtsinsel und anschließend ins Ausreisegewahrsam gebracht worden. In seine Wohnung habe er nicht mehr gedurft, Beamte hätten ihm seine Medikamente geholt.

Während der Kundgebung war die Stimmung angespannt. Der Sachstand: Sollte nichts mehr passieren, säße Ebrima am nächsten Tag in einem Flugzeug nach Gambia. Wir müssen uns an den gesetzlichen Rahmen halten“, sagt Hans-Jürgen Lemmer, Leiter des städtischen Ressorts Zuwanderung und Integration. Das Bundesamt habe den Asylantrag des Flüchtlings ablehnt, eine Klage sei erfolglos gewesen. Einen Antrag auf humanitären Aufenthalt habe die Ausländerbehörde abgelehnt, das Verwaltungsgericht habe diese Entscheidung vor sechs Wochen bestätigt. Der NRW-Minister Joachim Stamp (FDP), der unter anderem für Flüchtlinge und Integration zuständig ist, hätte eine Härtefallkommission ersuchen können. „Er hat sich entschieden, dass er sich nicht dazu äußern wird“, berichtete Hans-Jürgen Lemmer auf der Kundgebung.

Die Wende kam durch den NRW-Petitionsausschuss. Normalerweise darf über laufende Verfahren keine Auskunft gegeben werden, doch der Fall sei in der Öffentlichkeit. „Wir haben gebeten, die Abschiebung auszusetzen“, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Serdar Yüksel (SPD) am Nachmittag. „Wir werden objektiv prüfen, ob es nicht Möglichkeiten des Aufenthalts gibt, die bisher unberücksichtigt geblieben sind.“ Dazu müssen die Akten vorliegen, Ebrima M. soll gehört werden.

Existenzängste im Ausreisegewahrsam

Bis dahin ist der 24-Jährige wieder frei und kehrt aus dem Ausreisegewahrsam in Büren zurück nach Wuppertal. „Wie zugesagt: Wir sind schon dabei, ihn rauszulassen“, sagte Hans-Jürgen Lemmer kurz nach der Bitte des Ausschusses.

Die Freunde von Ebrima sind erleichtert. Ihm wurde sein Handy zwar abgenommen, doch sie konnten mit ihm und seinem Anwalt telefonieren. Das Gewahrsam sei de facto ein Gefängnis, die Verpflegung schlecht, erzählten sie. „Er hat sich nie einen Fehler erlaubt, und jetzt wird er behandelt wie ein Schwerkrimineller“, sagte Antonia Lammertz. „Ihm geht es total beschissen. Das sind Existenzängste“, erzählte Pierre Beeckmann. Ebrima habe sich hier in fast sieben Jahren einen Freundeskreis aufgebaut, habe eine Arbeitsstelle, empfinde Wuppertal als Heimat.

Für genau solche Fälle möchte die Bundesregierung das Gesetz ändern, das steht im Vertrag der Ampelkoalition. „Das ist jetzt wie ein Modellfall“, sagt der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD). Es sei wichtig, die gesamt- und bundespolitische Ebene zu sehen. „Die aktuelle Rechtslage schützt genau solche Personen nicht klar genug, was aber notwendig wäre.“ Auch wenn an einem Gesetzesentwurf gearbeitet werde – bis zur Rechtskraft könne es noch Monate dauern. Für Ebrima komme das zu spät. In anderen Bundesländern seien Abschiebungen in solchen Fällen ausgesetzt worden, bis das neue Gesetz da ist, berichtet Helge Lindh. In einer Gnaden-Entscheidung der Härtefallkommission sah er die größte Chance für Ebrima, vorerst bleiben zu können, und unterstützte wie auch andere Politiker die Petition, die jetzt den Aufschub und mehr Zeit ermöglicht hat.

Wie der Petitionsausschuss entscheiden wird, und auch wann, ist offen. Das Bündnis und die Freunde von Ebrima werden sich weiter für ihn einsetzen, sagt Antonia Lammertz: „Wir nutzen alle Möglichkeiten, die wir nutzen können.“ Denn es ist noch nicht das Ende der Geschichte.