Von der Heydt Museum Wuppertal 100 Jahre Moderne: Seriös, lehrreich und gut

Das Von der Heydt-Museum präsentiert Sammlungsschätze aus der Zeit von 1919 bis heute.

Museumsdirektor Gerhard Finckh.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Mit einer „Spaßausstellung“ will er sich nun doch nicht verabschieden, und mit einem Augenzwinkern sei die „Blockbuster - Museum“ Ausstellung gemacht gewesen, die bis März hinter die Kulissen der Museumsarbeit schaute. Stattdessen präsentiert Gerhard Finckh, der Ende April scheidende Direktor des Von der Heydts-Museums, die Sammlung „ganz seriös“, zugleich aufregend neu. Eine Reise und ein kunstgeschichtlich anschaulicher Exkurs durch hundert Jahre Moderne, von 1919 bis 2019. Das Museum hat dazu Einiges zu bieten. Die Schau wird am Sonntag eröffnet.

Die Ausstellungsspanne ist bewusst gewählt, weil 1919 die Welt vor dem Umbruch stand, ebenso 2019 „mit Umwälzungen in der Weltpolitik zu rechnen ist“, sagt Finckh. Hundert Jahre werden in den Räumen des zweiten Obergeschosses mit zirka 130 Gemälden, Arbeiten auf Papier und Skulpturen erzählt, weitgehend chronologisch anhand repräsentativer Exponate, die allesamt der großen Sammlung des Hauses angehören. Den Auftakt machen die 20er Jahre, „bei denen unsere Sammlung besonders stark ist“. In den Mittelpunkt stellt Finckh Skulpturen von Karl Röhrig, „einer der wichtigsten Bildhauer damals“, der kritisch und vorausschauend arbeitete. Dazu Carl Hofers „Jünger am Ölberg“, die „schlafen, während Weltgeschichte passiert“. Darum herum Dix, Moholy-Nagy und andere Hochkaräter. Die Zeit des Dritten Reiches und Zweiten Weltkriegs ist durch Anhänger wie Brekers Hitlerkopf und Gegner/Verfolgte wie Klee oder Beckmann vertreten (Raum 2). Auch ein Bild Hans Hofmanns hängt hier, der in den 30er Jahren in die USA auswanderte und dort Vorlesungen hielt, die die „jungen Amerikaner“ wie Pollock und De Kooning besuchten, die später wiederum ihre Kunst nach Europa brachten. Dem Surrealismus widmet sich der dritte Raum – im Zentrum eine Skulptur von Hans Arp, der sich wie Dali oder Ernst bemühte, das Unbewusste sichtbar zu machen. Eine spielerische Auseinandersetzung mit der Geschichte können die Besucher in Brad Downeys 2009 gedrehtem Video erleben, der der Napoleonstatue des Pariser Musée de l’Armée einen Löffel an die Nase klebte (Raum 4).

Ohne Dachstuhl erlebt
das Museum die „Stunde Null“

„Die Stunde Null“ (Raum 5) erlebte das Von der Heydt-Museum mit ausgebranntem Dachstuhl. Ein riesiges Foto erinnert daran. Die Sammlung hatte unter Nazis und Krieg schwer gelitten, „aber Eduard Von der Heydt stiftete seine Bilder und gab der Stadt Gelder für Neuerwerbungen“, so Finckh. Den kunsthistorischen Umbruch der 50er Jahre spiegelt der Informell wider, die abstrakte geistige Auseinandersetzung löste die Gegenständlichkeit ab. Die Kunst neu denken wollten auch die Künstler des Zero (Piene, Mack, Uecker) in den 60ern (Raum 6) und der Farbfeldmalerei (Dubuffet oder Kelly), die mit Farbe und Form experimentierten (Raum 9).

Die Zeit des Wirtschaftswunders mit ihren Industrie-Reihungen repräsentiert unter anderem der Wuppertaler Fotograf Peter Keetman, während gleichzeitig Bernd und Hilla Becher den nostalgischen Blick zurückwarfen, in ihren Fotos den alten Schwebebahnhof Werther Brücke festhielten (Raum 7). Ein wenig „angeben“ will Finckh mit der „Internationalen Avantarde“, die das Museum in den 80er/90er Jahren zusammengetragen habe, „als es dem Museum noch sehr gut ging“ (Raum 8) und Werke von Picasso, Giacometti, Richter oder Bacon angekauft wurden.

Dahinter verstecken muss sich die Gegenwart freilich nicht. Im letzten Raum, eingetaucht in zauberhaftes Licht, hängen Neuerwerbungen, die nach 2000 entstanden und erst in den letzten Jahren ins Museum gekommen sind, angekauft durch die Renate und Eberhard Robke-Stiftung oder als Geschenk. Bilder und Skulpturen, die teilweise noch nicht zu sehen waren – wie Julio Rondos Werk, das vor kurzem noch in einer Wuppertaler Galerie hing. Alles absolut sehenswert.